In dieser Pipeline rieselt es hölzern. Mit der Entwicklung geschlossener energetischer Kreisläufe hat Güssing bereits die zwei größten Parkettunternehmen Österreichs angezogen: Diese nützen die Abwärme eines Biomassekraftwerkes für die Trockenanlagen ihrer Parkett-Hölzer. Im Gegenzug liefern sie aber auch die im Betrieb anfallenden Sägespäne in Pipelines an das Biomassekraftwerk, wo sie als Brennstoff genützt wird. Heuer soll die Kapazität der Parkettwerke verdoppelt werden - was wieder rund 400 neue Arbeitsplätze schafft. Die im Kraftwerk erzeugte Wärme wird auch in das Fernwärmenetz eingespeist - und das dient im Sommer auch zum Kühlen von Bürogebäude und Hotel.

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Als Peter Vadasz 1992 Bürgermeister von Güssing wurde, waren die Stadt und ihr Umland am Ende. Jahrzehnte im Südburgenland den Eisernen Vorhang als Nachbar, dann auch noch EU-Außengrenze – null Industrie, null Tourismus, Abwanderung, 70 Prozent Wochenpendler nach Wien. "Die Gegend ist ausgeronnen wie ein löchriger Sack", erinnert sich Vadasz.

"Und dann sind wir eines Tages oben auf der Burg gestanden und haben gesagt: Tun wir net jammern, schau'n wir, was wir haben." Und sie sahen: Wald. Vadasz heißt auf ungarisch "Jäger" – und so machte man sich in der 4000-Einwohner-Stadt auf die Jagd nach neuen Technologien.

Aus drei Megawatt wurden 23

Da wurde zunächst einmal ein Biomasse-Fernheizwerk errichtet. Anfangs war das ein Drei-Megawatt-Werk – heute sind es 23 Megawatt. Eine Anlage nach der anderen wurde – mit EU-Hilfe – realisiert. Und dann kamen die neuen Entwicklungen. Etwa die Biogasanlage und der jüngste große Wurf: das Biomasse-Vergasungskraftwerk (siehe Artikel Aus Holz wird Benzin und Erdgas).

Mit der konsequenten Umsetzung der Vision hat es Güssing inzwischen tatsächlich geschafft: In der Stadt selbst wird weit mehr Wärme und Strom erzeugt, als verbraucht wird. Alles aus erneuerbaren Rohstoffen aus einem Radius von fünf Kilometern.

"Entscheidend ist, dass jemand mit technischer Fachkenntnis im Ort ist", betont Werner Rauscher, einer der Geschäftsführer vom Europäischen Zentrum für Erneuerbare Energie Güssing. Und: "Vor allem muss in einer Gemeinde erhoben werden, wie die Energiebilanz aussieht." Die Bilanz von Bürgermeister Vadasz: "Früher haben jedes Jahr sechs bis sieben Millionen Euro für Energiekosten die Stadt verlassen. Heute haben wir einen Energieumsatz von 13 Millionen Euro – und das Geld bleibt in der Region."

1000 neue Jobs in acht Jahren

In acht Jahren siedelten sich 50 neue Betriebe mit mehr als 1000 Jobs in Güssing an. Inzwischen musste sogar ein Hotel errichtet werden – da pro Woche bis zu 1000 Besucher kommen, um sich das Modell Güssing anzusehen.

Die jüngste Erfolgsmeldung: Während Österreich unterm Ölpreis stöhnt, haben die Güssinger Fernwärmekunden vergangenen Winter um 25–30 Prozent weniger bezahlt.

Und die Entwicklung geht weiter: "Neben der Holzvergasung widmen wir uns jetzt dem Forschungsthema: solare Kühlung", erläutert Rauscher. Und zur Frage, woher das viele Holz herkommt: Im Raum Güssing wird nach dem Totalumstieg lediglich ein Drittel der Biomasse verbraucht, die jährlich dazuwächst.

Grünes VP-Vorbild

"Das Wichtigste wäre jetzt, dass in Österreich Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit derartige Entwicklungen explodieren", nimmt der Grüne Christoph Chorherr die VP-Gemeinde als Vorbild. Entscheidend wäre "eine fachliche Unterstützung für ländliche Kommunen". Chorherr: "Derzeit schickt Österreich jährlich 8,5 Milliarden Euro für fossile Energieträger ins Ausland. In zehn Jahren wären 50 Prozent ersetzbar – womit rund 120.000 Jobs geschaffen werden könnten."

Auch Bürgermeister Vadasz sieht dies nicht parteipolitisch: "Mich interessieren nicht Schwarze, Rote, Blaue oder Grüne – mich interessieren nur g'scheite Leut." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.5.2006)