Monate-, nein jahrelang hat die Bildung einer österreichischen Stromlösung aus der mehrheitlich der Republik gehörenden Verbundgesellschaft und Teilen der Landesenergieversorger in Ostösterreich die interessierte Öffentlichkeit in Atem gehalten. Seit dem Wochenende fällt tiefes Durchatmen erst recht schwer: Wenn die Pläne von OMV und Verbund realisiert werden und die Unternehmen zusammengehen, entsteht ein Koloss mit gut 18 Milliarden Euro Umsatz und 52.000 Mitarbeitern. Selbst die einmal angedacht gewesene, dann wieder verworfene große österreichische Stromlösung sieht im Vergleich dazu fast mickrig aus.

Auf den ersten Blick haben OMV und Verbund wenig gemeinsam. Der mehrheitlich privatisierte Mineralölkonzern verkauft keinen Strom, der mehrheitlich dem Staat gehörende Verbund verheizt zwar Gas, hat aber keine Tankstellen. Anders als bei Unternehmen, wo das eine mehr eigene Kraftwerke in die Ehe einbringt und das andere weniger, aber beide durch optimierte Kraftwerksplanung bares Geld sparen, fällt das bei OMV und Verbund flach.

Auf den zweiten Blick gibt es aber sehr wohl Fantasie, was eine gemeinsame Zukunft von OMV und Verbund bis hin zur Fusion begünstigt: Die OMV hat das Gas bei der Hand, das der Verbund für seine geplanten Gaskraftwerke im In- und Ausland so dringend braucht. Beide Unternehmen könnten sich gut ergänzen.

Die OMV kennt sich im Wachstumsgürtel Südosteuropas spätestens seit der Übernahme der rumänischen Petrom hervorragend aus. Mit Übernahme der türkischen Petrol Offisi weitet sich der Einflussbereich des österreichischen Mineralölkonzerns bald bis zur irakischen Grenze aus. Die gesamte Region weist ein starkes Wachstum auf, das sich nicht zuletzt in steigendem Stromkonsum niederschlägt. Strom ist dort aber Mangelware, da kann der Verbund hineinstoßen. Die Kontakte zu den maßgeblichen Stellen in der Region, aber auch das Wissen, wie man zu Genehmigungen kommt, hat die OMV. Der Verbund kann sein Wissen beisteuern, wie man Strom produziert, verkauft und damit Handel betreibt - eine Kombination, die durchaus sinnvoll sein kann.

Damit der Deal, in welcher Form immer, über die Bühne gehen kann, ist eine Änderung jenes Verfassungsgesetzes notwendig, das die Mehrheit der Republik beim Verbund festschreibt. Dazu ist die Zustimmung der SPÖ notwendig. Diese ist in einer denkbar schlechten Position. Einerseits will sie einen starken Energiekonzern, der anderen Wettbewerbern in Europa Paroli bieten kann; andererseits wird sie aber auch daran gemessen werden, inwieweit es ihr gelingt, wettbewerbsfördernde Maßnahmen zu erzwingen. Nicht nur Industrie und Gewerbe, auch die Haushalte wollen möglichst billigen Strom, Benzin und Diesel beziehen.

Schon unter den gegebenen Verhältnissen ist es in Österreich um den Wettbewerb im Energiebereich alles andere als rosig bestellt. Nun hört man, dass die (kleine) österreichische Stromlösung, das Zusammengehen von Verbund mit den Energieversorgern von Wien, Niederösterreich und Burgenland, unbeschadet des Zusammenrückens von OMV und Verbund, finalisiert werden soll. Das klingt wie eine gefährliche Drohung. Denn dann würde erst recht kein Spielraum mehr bestehen für echte, unabhängige Konkurrenten am Markt. Denn über die Großhandelsgesellschaft Econgas wären dann auch Länder wie Oberösterreich mit im Boot, die sich erst kürzlich von der Stromlösung losgesagt haben.

Alles wird also kaum gehen, da werden auch die Wettbewerbshüter in Brüssel ein wachsames Auge drauf haben. Und der Kapitalmarkt? Internationale Investoren glauben an eine Übernahme des Verbundes durch die OMV. Der Kurs der Verbund-Aktien ist kräftig gestiegen, die OMV wurde abgestraft. Auch wenn Giganten zu groß werden, freut das Anleger: Dann lässt sich mit Kursspekulation neuerlich Geld verdienen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.5.2006)