Erich Foglar überlässt die Finanzen des ÖGB einem anderen. Seine eigenen Finanzen (6.000 Euro brutto) hält er für "angemessen".

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Wien - Eine junge Frau mit Kopftuch näht am Stand von "Jugend und Werk" rote Herzen. Gleich daneben wird bei "Fair Trade" richtiges Einkaufen erklärt. Das größte Gedränge herrscht aber am Urlaubsstand. Hauptpreis: Drei Nächte in einem ÖGB-Hotel am Ossiacher See oder am Maltschacher See. Der Andrang war kein Wunder: Sonst hatte die Metallgewerkschaft auf ihrem Kongress im Wiener Austria- Center wenig zu gewinnen. Sondern nur über Verluste zu reden - Verluste von Vertrauen, Verluste an Spekulanten und Verluste von Personen.

Bawag-Debakel, Verzetnitsch-Rauswurf: "Das ist eine Katastrophe, wenn S’ mich fragen. Die schlimmste Krise des ÖGB", sagt Johann Heindl. Und der frühere Siemens- Arbeiter hat jede ÖGB-Krise, von Franz Olah bis Hainburg, miterlebt: "Ich bin seit 61 Jahren Gewerkschaftsmitglied. Aber dass zwei Leute allein über das Gewerkschaftsgeld entscheiden können - das hätt ich mir nie träumen lassen, das ist ein Wahnsinn."

Finanzhüter gesucht

Während die Basis mit Wutablassen beschäftigt ist, bemüht sich die Spitze der Metallergewerkschaft um Krisenmanagement. Langzeit-Vorsitzender Rudolf Nürnberger ging aus Zorn über Bawag und Verzetnitsch - am zweiten Kongresstag wird heute, Dienstag, Erich Foglar zu seinem Nachfolger gekürt. Das wird für den ÖGB weitere Personalrochaden nach sich ziehen. Foglar war Ende März ÖGB-Finanzreferent geworden - nun muss sich der ÖGB einen neuen Hüter der Finanzen suchen. Denn falls er gewählt wird, wird er die Funktion des ÖGB-Finanzreferenten "sukzessive" zurücklegen, kündigt Foglar im STANDARD-Gespräch an: "Ich lege Wert auf eine geordnete Übergabe. Aber die Funktion des Finanzreferenten und des Gewerkschaftsvorsitzenden ist weder zeitmäßig zu schaffen, noch gewerkschaftmäßig zu vereinbaren." Zumal Foglar Chef der fusionierten Metall-Textil- Agrar/Nahrung-Gewerkschaft wird. Er verdient 6000 Euro brutto - "ein angemessenes Gehalt", wie er findet. Forderungen nach Gehaltsverzicht der ÖGB-Spitze hält er "absolut" für Populismus.

Bei der Basis wird Populismus anders gesehen: "Man darf nicht bei den kleinen Funktionären zu sparen anfangen", fordert Rudolf Weiß, Betriebsrat in der Halleiner Brau-Union. Denn schuld am Schlamassel sei die ÖGB-Spitze: "Wir Mitglieder sind ganz schön verarscht worden." Daher müsse jetzt Schluss sein mit einsamen Entscheidungen: "Der nächste ÖGB-Präsident gehört von den Mitgliedern gewählt." Sein Kollege Christian Desalla will vorerst Konsequenzen gegen die alte Führung von Bawag und ÖGB sehen: "Da gehören einmal ein paar eingesperrt." Andrea Schremser wiederum, Betriebsrätin in einer Textilfirma in Gloggnitz, will über all dem Krisengerede "die ÖGB-Erfolge nicht vergessen. Wir haben ja auch viel erreicht, Mutterschutz, Weihnachtsgeld, das muss man auch sagen."

Misserfolg Penthouse

Rudolf Nürnberger hätte zum Abschied auch Erfolge aufzuzählen: KV-Verhandlungen, Erfolge für Leiharbeiter. Wichtiger ist ihm aber jetzt der Blick in die Zukunft: "Ich hoffe, es gelingt, den ÖGB so zu reformieren, dass er das Vertrauen wieder gewinnt." Und Misserfolg? Da seufzt Nürnberger: "Dass es mir nicht gelungen ist, dem Fritz Verzetnitsch sein Penthouse auszureden. Damit hat alles angefangen." Der Kongress wird am Dienstag fortgesetzt.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.5.2006)