"Da drüben. Der Bursche dort hat in Monte Cassino gekämpft. Hier nebenan, der Junge ist am D-Day gefallen." Pryer lebte schon hier, da begannen direkt hinterm Ardent Crescent die Wiesen, die bis hinunter zum Ufer der Themse reichten. 1931 klotzte der Autogigant Ford in Dagenham, gleich um die Ecke, eine gigantische Fabrik an die Themse. "Wir waren Autostadt", sagt Peter Pryer.
Die alte Welt, um die er so wehmütig trauert, gibt es nicht mehr. Das Ford-Werk, wo noch vor zehn Jahren neuntausend Arbeiter am Fließband standen, stellt keine Autos mehr her, nur noch Motoren, wofür 2300 Beschäftigte reichen. Pryers alte Welt, sie war weiß. Die neue Welt, das sind die Schwarzen.
Einwanderer aus Afrika, aus Nigeria, Ghana, Kenia vor allem, ziehen seit fünf, sechs Jahren verstärkt nach Becontree. Hier draußen sind die Mieten noch billig, billiger sogar als drinnen in London im einst so armen East End. Laut Statistik stellen ethnische Minderheiten im Bezirk Barking, zu dem auch Becontree gehört, 14 Prozent aller Bewohner. Das ist normal für eine Weltmetropole, hier draußen aber ist es relativ neu.
Heute, Donnerstag, wählt Becontree einen neuen Gemeinderat, zeitgleich mit den meisten englischen Städten. Hier, im Schrebergartenambiente des Londoner Ostens, wollen die Neonazis der British National Party (BNP) zweitstärkste Partei werden, nach Labour, die seit Kriegsende haushoch dominiert.
"Ich überleg es mir"
"Ich hab nie BNP gewählt. Diesmal überleg ich es mir", sagt Pryer, der Greis. Es sind Sätze wie diese, die Jeff Porter auf Trab bringen. Der Labour- Kandidat läuft von Tür zu Tür, auf Handzetteln verspricht er noch mehr Polizeipatrouillen, mehr Straßenkehrer, zusätzliche Technik, um die Graffiti von den Wänden zu waschen.
Im Hauptberuf ist Jeff Porter U-Bahn-Fahrer. Am 7. Juli 2005 fuhr er just in dem Moment auf die Station Edgware Road zu, als im entgegenkommenden Zug ein Sprengsatz hochging. Die Neonazis bereiten ihm im Augenblick größere Sorgen. Und dass Tony Blair sich zu wenig um die alten Arbeiter kümmert.
Blair und Porter sind in derselben Partei, Premierminister der eine, ehrenamtlicher Ratsherr der andere. "Blair macht mir das Leben schwer", brummt der Mann von der Basis. "Er redet schlicht an meinen Wählern vorbei." Anderswo mag England boomen, von den Reformen zehren. In Becontree aber haben die Straßen Schlaglöcher, türmt sich in Dreckecken der Müll, fühlen sich Stammwähler der Labour-Riege im Stich gelassen.
Der Mann, der von den giftigen Gerüchten um angebliche Staatshilfen für die Afrikaner zehrt, heißt Richard Barnbrook und stellt sich vor als "Visionskünstler, Bildhauer, Lehrer und Nationalist". Vor zwölf Monaten, beim Parlamentsvotum, holte er im Wahlbezirk Barking 17 Prozent der Stimmen. Jetzt will er ins Rathaus.