Privates Glück lässt sich nur schwer mit einem Agentendasein vereinen: Ethan Hunt (Tom Cruise) und Julia (Michelle Monaghan) in J. J. Abrams' "Mission: Impossible III"

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TV-Regisseur J. J. Abrams erhöht in "Mission: Impossible III" das Tempo und zugleich den persönlichen Einsatz des Agenten Ethan Hunt. Dennoch bleiben auch im dritten Teil US-Star Tom Cruise und sein körperlicher Einsatz das eigentliche Zentrum der Aufmerksamkeit.

Wien – Für einen Agenten wie Ethan Hunt ist eine glückliche Ehe eine unmögliche Mission. Er sollte es also besser wissen, wenn er sich am Anfang von "Mission: Impossible III" ins Privatleben zurückziehen will, um seine Fähigkeiten allenfalls für zivile Zwecke zu nutzen. Erstens kann er sich ja nicht ewig damit begnügen, fortan die Gespräche seiner Julia (Michelle Monaghan) und ihren Freundinnen von den Lippen abzulesen. Und zweitens wird der Einsatz bei beruflicher Rückkehr mit einem Mal hoch: Schon James Bond musste das in "On Her Majesty's Secret Service", dem einzigen Teil der Serie mit tragischer Note, erfahren.

Wie hoch das Risiko tatsächlich ist, zeigt ein Cliffhanger, der dem Film vorangestellt ist: Hunt und seine Frau befinden sich in einer Situation, aus der es scheinbar kein Entkommen gibt. Beide sitzen gefesselt auf einem Stuhl; der Schurke des neuen Teils, ein skrupelloser Geschäftsmann namens Owen Davian (Philip Seymour Hoffman), droht Julia zu erschießen, so Hunt ihm nicht verrät, wo sich ein mysteriösen Objekts befindet. Es nennt sich kurioserweise "rabbit's foot" (Hasenpfote) und dient als klassischer MacGuffin: als Gegenstand, der die Figuren in Bewegung hält.

Spielerischer Zugang

Schon hierin zeigt sich der spielerische Ansatz von Regisseur J. J. Abrams, der – anders als seine Vorgänger Brian de Palma und John Woo – mit den Bausteinen der Erfolgsserie eher jongliert als energisch versucht, seine stilistischen Eigenheiten durchzusetzen. Das mag auch durch die eher langwierige Produktionsgeschichte des dritten Teils beeinflusst worden sein: Mehrere Regisseure (darunter David Fincher) und Drehbuchautoren warfen das Handtuch, bis sich Hauptdarsteller und Mitproduzent Tom Cruise den durch Fernsehserien wie "Alias" und "Lost" zu Ruhm gelangten Newcomer an Bord holte.

Abrams beweist vor allem Talent in besonders hervorgehobenen Momenten. Er dynamisiert das Geschehen und hetzt den Film von einem durchaus effektvoll exekutierten Schauwert zum nächsten. Die für das Agentengenre‑ generell so charakteristische Vorliebe für wechselnde exotische Schauplätze – Berlin, Rom und Schanghai – ergänzt er um die für die "Mission: Impossible"-Serie typische Arbeitsteilung im Einnehmen von Gebäudekomplexen und Gummimaskenspiele. Wobei Letztere zugunsten von Aktionsabfolgen hier eher geringen Raum einnehmen.

Einen frühen Höhepunkt liefert eine Verfolgungsjagd in Helikoptern, die durch Windräder führt und in der die äußere Spannung mittels eines im Inneren ablaufenden Überlebensdramas noch gesteigert wird. Abrams fasziniert vor allem die Geschmeidigkeit solcher synchroner technischer Abläufe, die schon im Vatikan zur Festnahme Owen Davians führen und in Schanghai einen spektakulären Sprung auf ein Hochhaus gewähren, den Hunt zuvor auf einem Fenster skizziert.

Die Hasenpfote, hinter der sich eine Art Waffe verbirgt, wäre im Grunde Anlass genug, um diese Puzzleteile zusammenzuhalten. Dann wäre "M:i:III" ein ganz essenzieller Actionfilm. Aber der Film wechselt auch mehrmals – und mit zunehmender Verwirrung – die Erzählrichtung: Davian wird von interner Seite "beschützt", daher kommt er auch wieder frei, und Hunt findet sich bald im Mittelpunkt einer komplizierten Intrige wieder, die er ernst nehmen muss, weil das Leben seiner Frau auf dem Spiel steht.

Eitler Mittelpunkt

Es sind diese größeren erzählerischen Zusammenhänge, die melodramatischen Mehrwert und die eine oder andere Referenz auf geopolitische Realitäten bereitstellen sollen, die nicht so recht funktionieren. Vielleicht denkt J. J. Abrams zu ausschweifend für einen Spielfilm dieser Länge; wahrscheinlicher liegt es aber doch an Tom Cruise, dem eitlen Mittelpunkt fast aller Szenen des Films, die sogar noch Verweise auf frühere Rollen enthalten.

Mit Philip Seymour Hoffman gibt es zwar einen charismatischen Bösewicht, aber der erscheint schlicht in zu wenigen Szenen des Films, um sich als Gegenspieler entsprechend entfalten zu können. Anderen Nebendarstellern ergeht es noch schlechter. Und so bleibt es eben an Hunt/ Cruise, sich mittels Schlägen, Sprüngen und einem fast schon lächerlich wirkenden Sprint durch die Altstadt Schanghais über alle Hindernisse hinwegzusetzen, ohne dass der makellose Körper Schrammen zeigt. Erst ganz am Ende schießt endlich Julia. Das wäre ein Anfang gewesen.

Flucht vor Raketen: Schauspiel!
J. J. Abrams, Regisseur von "Mission: Impossible III" im Gespräch über...

... das Projekt "M:i:III": "Als ich einstieg, gab es schon ein Drehbuch. Ich fand es cool, aber es wäre ein ganz anderer Film geworden. Okay, sagte ich, ich bin nicht der richtige Regisseur dafür. Er sollte vor allem in Berlin spielen. Es gab eine Menge Entwürfe, vor allem Fahrzeuge. Sie hatten 40 Lastwagen, aber keine Geschichte.

Tom Cruise, der ja auch als Produzent fungierte, sagte: "Lassen wir uns eine persönlichere Geschichte einfallen." "Das dauert ein Jahr", wandte ich ein. "Okay." Danach hatte ich alle Freiheiten. Ich konnte in Rom drehen, wovon ich immer geträumt hatte. Nur Tokio erwies sich als unmöglich, da sind wir also nach Shanghai ausgewichen, was sich als Glücksfall erwies."

... die Dreharbeiten in Schanghai: "Es gab einige Befürchtungen, denn China gilt als kompliziertes Land zum Drehen. Unsere Erfahrungen waren ganz gegenteilig. Alles hat sehr effizient funktioniert, die Leute waren stolz darauf, dass ihre Stadt eine so wichtige Rolle spielt, und wir haben am Ende zwei Tage weniger gebraucht, als geplant war."

... Tom Cruise: "Er ist verrückt, und davon profitiere ich. Wir haben mit einem altmodischen Stunt-Koordinator gearbeitet, der alles physisch machen will und nicht auf die Korrektur im Computer schielt. Das ist genau das, was Tom will: Er will überall mit Leib und Seele dabei sein. So haben wir auch die großen Effektszenen geschnitten: Sein Gesicht, sein Körper, sind zwischendurch immer erkennbar. Er ist identifizierbar und löst sich nicht in einem großen pyrotechnischen Chaos auf. Wenn er vor dieser Rakete davonläuft, in der Szene auf der Brücke, das ist für mich großes Schauspiel mitten in einer Actionsequenz."

... Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman als Cruise' Gegenspieler: "Er ist der witzigste Schauspieler, den ich kenne. Wir wollten eine Figur, die überhaupt keinen doppelten Boden hat. Owen Davian hat einfach keine Moral, keine Skrupel. Er ist böse. Er hat auch keine Angst vor dem Tod. Können Sie sich an die Szene erinnern, in der Davian im Flugzeug sitzt, gefesselt und vollkommen ausgeliefert? Und er legt sofort los mit seinen Drohungen? Wir haben uns vor Lachen fast ausgeschüttet, wie er das gespielt hat. Manche Schauspieler müssen an das glauben, was sie spielen. Philip Seymour Hoffman aber weiß genau, dass man einen Schurken am besten spielt, indem man sich ein wenig dumm stellt."

... Kino und Fernsehen in den USA: "Ich überblicke die Landschaft des amerikanischen Kinos nicht so, aber es könnte durchaus sein, dass Serien wie "24" oder "Alias" auf das Kino zurückwirken. Ein Problem mit Blockbustern ist vielleicht: Spektakel funktionieren nicht mehr. Actionsequenzen müssen wieder in Figuren begründet sein. Erinnern Sie sich: "Die Hard" dauert eine halbe Stunde, bis der erste Schuss fällt. Neo in "The Matrix" lässt uns an seiner Verwirrung teilhaben, deswegen interessiert uns der Film." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.5.2006)