Aufsichtsrats- Vizechefin Dwora Stein arbeitet an einem Neustart - in der Bank und im ÖGB.

Foto: STANDARD/Regine Hendrich
Dwora Stein, GPA-Geschäftsführerin und neue Aufsichtsratsvizechefin der Bawag, spricht Tabus an - etwa die Verantwortung von Verzetnitsch und Weninger und die dringend notwendige Totalreform des ÖGB.

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"Dinge von großer Bedeutung muss man gelassen angehen", sagt Dwora Stein. Das ist ihr Motto, nicht erst, seit sie zur neuen Vizepräsidentin des Aufsichtsrats der Bawag gewählt wurde. Die Finanzexpertin hat anstrengende Tage hinter und wohl noch viele vor sich, nicht nur in dieser Funktion. Die 51-jährige Wienerin ist nämlich "nebenbei" auch noch GPA-Geschäftsführerin, Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Wien und Fraktionssekretärin der FSG in der GPA.

Stein spricht sich, ebenso wie GPA-Chef Wolfgang Katzian, für eine Abschaffung der Teilgewerkschaften aus. Ihr schwebt eine Gewerkschaft für ganz Österreich vor, gegliedert in Wirtschaftsbereiche. Die "ganze Vielfalt" müsse im neuen ÖGB vertreten sein - Jung und Alt, Tradition und Moderne, Arbeiter, Angestellte und atypisch Beschäftigte, Männer und Frauen. Man brauche Bündnispartner nicht nur in den Parteien, sondern auch in den NGOs. Von einer "Neugründung" will Stein aber vorerst nicht sprechen.

"Dinge neu ordnen"

Erst, wenn der ÖGB das gesamte Ausmaß des Bawag-Desasters kenne, könne man "die Dinge neu ordnen". Dabei solle man sich "weder hetzen noch zu lange Zeit lassen". Bis Herbst will Stein eine Grundsatzentscheidung - "denn man braucht ja auch Zeit, die Reformen umzusetzen".

Dwora Stein schließt nicht aus, dass sich der ÖGB an den beiden im Bawag-Skandal verantwortlichen Spitzenfunktionären, Günter Weninger, ehemals Finanzchef des ÖGB und Aufsichtsratsvorsitzender in der Bawag, und Fritz Verzetnitsch, ehemals ÖGB-Vorsitzender, schadlos halten könne: "Das muss man rechtlich prüfen." Die Neuordnung des Gewerkschaftsbundes müsse übrigens auch betriebswirtschaftlich angegangen werden. Wie jedes andere Unternehmen auch müsse sich der ÖGB "nach der Decke strecken" - und wenn es sein müsse, auch Personal abbauen. Stein: "Mit einer besonderen Verantwortung, das ist natürlich klar." Die Coolness, mit der sie Tabus anspricht, hat ihr in der GPA die Nachrede eingebracht, sie sei "hart". Das stimme nicht, sagt Stein, sie bemühe sich nur um einen "kühlen Kopf".

Zukunftsprojekte

So ungewöhnlich wie die Gewerkschafterin Stein ist auch ihr Vorname, Dwora mit "w" - und doch wieder nicht. Alle ältesten Töchter ihrer Familie heißen so, Dwora ist Deborah, hebräisch ausgesprochen. Ihre Eltern lernten einander in Ungarn kennen, ihre Mutter hatte die Nazi-Terrorherrschaft untergetaucht überlebt. Stein: "Meine Familiengeschichte, Verfolgung und Terror, haben mich geprägt. Da lernt man, sich für die Schwachen einzusetzen."

Schwach steht im Augenblick auch die Bawag da - und dass sich vom Kanzler abwärts die ganze Regierung plötzlich für die Rettung der Bank einsetzt, berührt die Sozialdemokratin Stein nicht unangenehm: "Die Regierung hat ihre Verantwortung für den Finanzstandort wahrgenommen, das ist gut so." Nachsatz: "Ich frage mich schon, ob das nicht schon früher hätte passieren können."

In der GPA haben sie und Katzian bereits mit einer Neuorientierung begonnen: Dort bemüht man sich in "Zukunftsprojekten" um konkrete Ziele. Diesen Dingen will sie sich in absehbarer Zeit wieder voll widmen - wenn in der Bank Ruhe eingekehrt ist. "Ich bleibe sicherlich nicht bis ans Ende aller Tage im Bawag-Aufsichtsrat", sagt Stein. Und Geld will sie dafür schon gar keines - auch wenn sie News kürzlich als "eifrige Job-Sammlerin" bezeichnet hat. Die Aufsichtsratsentschädigung in Höhe von 3000 Euro, zwölfmal pro Jahr, kommt auf ein (Bawag-)Konto. Mit dem Geld würden künftig "förderungswürdige Arbeitnehmerprojekte" unterstützt. (Petra Stuiber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.5.2006)