Die US-Band Battles klingt, als würden die Könige des skelettierten Metal, Helmet, Kölner Minimal Techno covern.

Foto: donaufestival/Timothy Saccenti
Korneuburg – Das Verständnis von Lärm ist nicht nur sehr subjektiv, auch die Kategorisierung als Lärm verändert sich beständig. Was in der Steinzeit des Pop als solcher abgetan wurde, läuft heute im Oldie-Radio. Mit der Veränderung der Mittel zur Erzeugung von dissonanten, tonreihenfreien Sounds verzerrte sich das Klangbild des "Beautiful Noise" immer weiter.

Konkreter: Galten in den 80ern Bands wie die Swans oder die Einstürzenden Neubauten als Speerspitzen in Richtung weißes Rauschen, erscheinen sie heute im Vergleich zu den in den 90ern dieses Staffelholz weitergetragen habenden Formationen wie Merzbow oder die Techno- Punks von Atari Teenage Riot nachgerade als Milchbubis.

Wobei selbst in diesem Genre längst Konsolidierung auf höchstem Pegel herrscht und die Nuancen der Unterscheidung schließlich doch wieder in der Komposition, in der Schichtung von Sounds, in der Dynamik des Lärms liegen. Wolf Eyes aus Michigan sind in dieser Liga weit vorne zu finden. Ihre Mischung aus "klassischem" Industrialsic, elektronischem Irgendetwas und Punk-Mentalität betört und/oder verstört mit einem hypnotischen Sog, den sie aus vielschichtiger Überlagerung von Sounds erzeugen.

Durch Auslassung, Übersteuerung sämtlicher Klirrfaktoren bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Magengrube und ihres Inhalts erzeugen Wolf Eyes relativ vergleichs- und rücksichtslose Stücke, deren Eigenheiten gerne als nihilistisch, morbide oder unfreiwillig jenseitsbezogen gedeutet werden.

Verstört, sehr verstört

Sonic Youth, ebenfalls Pioniere in diesem Spiel, gelten nicht nur als große Fans dieser auf Sub Pop veröffentlichenden Band, sie haben Wolf Eyes auch in das Vorprogramm diverser Tourneen eingeladen. Augenzeugen berichten von teils sehr, sehr verstört wirkenden Konzertbesuchern. Wolf Eyes sind am ersten Abend des letzten Wochenendes des Donaufestivals live in der Korneuburger Werft zu erleben.

Überhaupt lockt dieser Abend mit einer lässigen Bandzusammenstellung. Die US-Band Battles klingt, als würden die Könige des skelettierten Metal, Helmet, Kölner Minimal Techno covern. Kein Wunder. Immerhin sitzt bei Battles ein gewisser John Stanier am Schlagzeug, der früher bei Helmet, aber auch bei Mike Pattons Hobbyband Tomahawk den Rhythmus bestimmte und der hier den von Helmet geprägten Snare- Drum-lastigen Beat besorgt.

Die beim britischen Warp- Label veröffentlichende Formation verzichtet auf Gesang. Dafür infiziert sie mit einer kühlen Funkiness, geschuldet den reduzierten Gitarrenlicks, tief brummenden Bassfiguren und eben Staniers Schlagzeugarbeit: sexy!

Gang Gang Dance aus New York vereinen Elemente von HipHop, elektronischer und Weltmusik und klingen damit wie Material zu Zeiten von Seven Souls aus 1989, als Bill Laswell ägyptische Musik, Dub und die knarzige Stimme von William S. Burroughs in den Mixer warf. Die daraus resultierenden Grooves sind dort wie hier ziemlich überzeugend. Ebenfalls an diesem Abend zu sehen: das australische Kollektiv Architecture In Helsinki, das gerne in einem Atemzug mit Arcade Fire genannt wird. (SPEZIAL, DER STANDARD, Printausgabe, 3.5.2006)