Mehr als hundert österreichische Fans haben in der insgesamt spärlich besuchten Saku Arena vor den Toren Tallinns eine Woche lang für Umsatz und Stimmung gesorgt.

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Tallinn/Wien - Man stelle sich das Zentrum einer mittelgroßen, 400.000 Einwohner starken Stadt vor, in dem sowieso schon die Hölle los ist. Und führe sich dann noch 130 Eishockeyspieler vor Augen, die am Ende einer langen Saison soeben eine harte WM hinter sich gebracht haben und über dieses Zentrum kommen.

Samstagabend also in Tallinn, und vom Hotel Viru aus, in dem alle Teams bei dieser B-WM untergebracht sind, ziehen sie los. Die Esten, Litauer, Polen, Niederländer, Kroaten und Österreicher wissen zwar, dass Österreich als Weltmeister in die A-Gruppe aufgestiegen ist, doch viele wollen es jetzt wirklich wissen. In den Klubs und Discotheken wundern sich neben den Esten vor allem Finnen über die Ansammlung großer, starker Kerle. Ansonsten bleiben die Finnen hier meistens unter sich, wenn sie an verlängerten Wochenenden wie diesem in Scharen von den Fähren aus über die estnische Hauptstadt herfallen.

Noch am nächsten Tag und bei der Ankunft in Wien-Schwechat werden die Österreicher, die also die A-WM 2007 (Moskau, St. Petersburg) vor Augen und besonderen Grund zum Feiern hatten, bejubelt. Dutzende Fans haben sich zum Flughafen aufgemacht, um das Team und seinen Chef Jim Boni in Empfang zu nehmen. Der Italo-Kanadier, der den Winter über die Vienna Capitals betreut, hat die bei der Heim-WM 2005 abgestiegene Mannschaft nach einem Jahr wieder nach oben geführt. Und es war schon eine überzeugende Performance, die man in Tallinn zu sehen bekam. Fünf Spiele, fünf Siege, 27:9 Tore. Am Ende überzeugten stets Sicherheit, Ruhe, Disziplin, Konzept und Kondition, vor allem in den Schlussabschnitten konnte kein Gegner mithalten.

Boni (43) soll gehalten werden, kein Wunder nach 13 Siegen und nur zwei Niederlagen in 15 Matches. Verbandsboss Dieter Kalt will dem Teamchef ein Angebot unterbreiten. "Die A-Gruppe reizt mich", sagt Boni. Ein Fulltime-Teamchef geht sich finanziell kaum aus, lieber will Kalt in den Nachwuchs investieren und "schon bei den U-12-Mannschaften den Hebel ansetzen". Die Zahl der Legionäre in der Erste Bank Liga allerdings steigt, fünf pro Klub waren es zuletzt, sechs pro Klub sollen es 2006/07 sein. Manche Vereine fordern acht oder zehn Legionäre, diese Anzahl wäre laut Kalt "à la longue der Tod für unser Eishockey".

Offen ist noch, ob sich zu den sieben Vereinen ein achter gesellt, Jesenice (Slowenien) drängt sich auf. Fix ist, dass Goalie Reinhard Divis nach fünf US-Jahren nach Österreich zurückkehrt. Der 30-Jährige, der für St. Louis als erster Österreicher in der NHL zum Einsatz kam und 29 Matches bestritt, unterschrieb für zwei Jahre bei Vizemeister Red Bulls Salzburg.

Tallinn wird kaum zu toppen sein. Nächster Stichtag fürs heimische Eishockey ist der 21. Mai. Dann werden am Rande der A-WM in Riga die Vorrunden-Gruppen der WM 2007 gelost. Noch ruht Österreich wie Deutschland, das beim zweiten B-Turnier in Amiens siegte, in Topf vier. Das lässt drei starke Gegner und jedenfalls eine Trübung der Boni-Bilanz erwarten. (Fritz Neumann aus Tallinn - DER STANDARD PRINTAUSGABE 2.5. 2005)