Sondre Lerche and The Faces Down Quartet: "Duper Sessions" (Virgin/EMI 2006)

Coverfoto: Virgin/EMI
Im Pop ist's Alltag, aber inzwischen hat auch der Jazz seine Heartthrobs (wieder) - und man muss dafür nicht einmal bis zu Jamie Cullum oder Michael Bublé ins Innere von Kommerz-Land reisen. Als guter Gradmesser für diese spezielle Art der Beliebtheit bietet sich unter anderem die Google Image Search an - und da erzielt der knapp 24-jährige Norweger Sondre Lerche eine beachtliche Menge Hits.

"Duper Sessions" ist das dritte Album Sondres, der sich auf die Frage nach seinen Einflüssen in erster Linie auf die großen Songwriter der älteren und jüngeren Vergangenheit bezieht: von Cole Porter über Burt Bacharach bis zu Elvis Costello und Beck. Die Nummer 3 bot ihm zugleich die willkommene Gelegenheit, dieses breite Spektrum zu fokussieren - passenderweise auf eine Zeit, in der Jazz noch der Pop seiner Ära war, Nina Simone als Sängerin statt als "My Baby Just Cares For Me"-singende Plastilin-Katze in die Hitparaden kam, und Frank Sinatra für die gleiche Fan-Hysterie sorgte wie heute die jeweils aktuellen Boygroups ... womit sich der Kreis zu Sondres eigener Biografie, dem wachsenden Ruhm und Rummel, aufs Schönste schließt. Fast ein Konzeptalbum also, wenn man so will - auch wenn es hauptsächlich als Zwischendurch-Ding bis zur nächsten Platte entstanden ist, just for the fun of it.

Jazz around the clock

"Duper Sessions", benannt nach einem Tonstudio im norwegischen Bergen, ist eine einzige Zeitreise in die 50er Jahre: Vom Artwork der CD angefangen über charmant Distanz wahrende non-explicit lyrics mit altmodischem Touch ("You sure look swell" ... im Deutschen gibt es vermutlich kein vergleichbar anachronistisches Wort wie dieses) bis hin natürlich zum Sound. Der dem Album nebenbei bemerkt bereits zu hohen Platzierungen in den Billboards verholfen hat.

Drei Interpretationen von Jazz-Standards ("Night And Day", "The More I See You" und "Nightingales") sind auf dem Album enthalten - gerade genug, um die Eigenkompositionen gewissermaßen in der gewählten Ära zu verankern. Und mehr wäre auch zuviel gewesen, denn es sind die selbstgeschriebenen Songs, die auf den "Duper Sessions" am meisten glänzen. "Once In A While" etwa, in dem die Pedal Steel-Gitarre so sphärisch schimmert, wie es sonst nur eine Orgel oder ein Theremin könnte. Oder "(I Wanna) Call It Love", das mit knackiger Gitarre und Geigenbegleitung Sondres ständiges Streben nach einprägsamen Melodien illustriert.

Oder die beiden Songs, die vielleicht die am weitesten voneinander entfernten Punkte des Soundspektrums bilden: Erstens die melancholische Single "Minor Detail", die exakt soweit vom Jazz in den Gegenwartspop ragt, wie es die Cardigans auf ihrem ersten Album "Emmerdale" in umgekehrter Richtung taten. Und zweitens das Schlussstück "You Sure Look Swell", in dem Gitarre und Bass einen gerade erst geschlüpften Rock'n'Roll imitieren, wie er seinerzeit die Jazz-Ära ablöste.

Zurück in die Zukunft

Es ist das Wesen des Pop, dauergeil auf neue Sounds zu sein - und "neu" kann genausogut heißen: schon lange nicht mehr verwendet. Hier führt also ein junger Norweger als Fänger im Roggen neue Fan-Generationen an Musik heran, zu der einst ihre Großeltern oder gar Urgroßeltern im Backfischalter tanzten. Anlass für gönnerhafte Altmänner-Kommentare? Nicht wirklich, ich gehöre ja selbst zu so einer Generation - und auch das (und vor allem das) ist das Wesen des Pop: Erlaubt ist alles, Hauptsache es kommen gute Songs dabei raus. (Josefson)