Und der Priester spricht: "Schwörst du, dem Bösen und dem Satan zu entsagen?" Michael Corleone hebt den Kopf, Licht fällt durch die bunten Glasfenster der Kirche, im Hintergrund spielt eine Orgel. Michael Corleone antwortet: "Ja." Aus einer goldenen Schale läuft Wasser auf den Kopf seines Sohnes. Schnitt. An einem anderen Ort richten die Handlanger des Mafia-Paten ein Massaker unter den konkurrierenden New Yorker Familien an. Schnitt. Michael Corleone schlägt das Kreuz und wägt währenddessen den Erfolg seines mörderischen Befehls ab. Wasser tropft auf den Kinderkopf, aber eigentlich wird man als Spross des Paten mit Blut getauft.

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Die Taufszene aus Francis Ford Coppolas "Der Pate" gilt als eine der besten Parallelmontagen der Filmgeschichte. Wenn gegen Filmende die Handlungsstränge "Krieg" und "Kirche" kunstvoll kollidieren, dann wird für den Zuschauer das schizophrene, gefährliche und tief traurige Dasein der Mafiosi spürbar, die über Wörter wie Familie, Ehre und Glaube referieren, während sie den Abzug drücken. Die Videospielfirma "Electronic Arts" verspricht den Fans nun einen tieferen Einblick in das fiktive Universum von Coppola und Mario Puzo:

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"Laufen Sie durch Don Vitos Welt und machen Sie sich selbst die Hände schmutzig", wirbt David DeMartini, Produzent der Videospielumsetzung des Filmklassikers, für sein Projekt. Und natürlich wurde auch die Taufszene in das Videospiel integriert. Während also Michael Corleones Sohn getauft wird, kann der Spieler den zweiten Handlungsstrang vorantreiben und die Konkurrenz auslöschen. Später soll er selbst Pate werden. Alles ist möglich: "Ich glaube an Amerika."

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Das Videospiel "Der Pate" ist die bislang wohl ambitionierteste Ver-Spielung eines Films, wird Coppolas Familiensaga doch im Allgemeinen als einer der besten Filme aller Zeiten gesehen. Bislang schafften vor allem Filme wie "Indiana Jones", "Alien" oder "Herr der Ringe" den Sprung von der Leinwand in die Heimkonsole. Klassische Abenteuergeschichten - ein Held verlässt seine Heimat, besiegt eine Menge Feinde und rettet am Ende die Welt -, deren Plot sich trefflich in die Logik der Levels übersetzen lässt.

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Neuere Videospiel-Versionen trauen sich aber auch an Klassiker wie "Der Pate" oder den 70er-Jahre-Kultfilm "The Warriors" und machen aus dem Filmplot nicht länger eine Geschicklichkeitsprüfung mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad, sondern programmieren "Open World Games" im Stile von "Grand Theft Auto". So kann sich der Spieler bei "The Warriors" ( Rockstar Games) entscheiden, ob er dem Handlungsstrang folgt und die New Yorker Gangwars beendet oder doch lieber in seiner "Hood" ein wenig chillt, Drogen vercheckt oder mit den "Homies" eine Runde Pool spielt.

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Gemein ist den Spiel-Versionen die atmosphärisch gelungene Nachgestaltung der Film-Universen. Original-Soundtrack und eine beinahe fotorealistische Grafik sind längst Standard. Digitalisierte Filmszenen, nachprogrammierte Trailer und Action-Sequenzen gehen mehr oder weniger fließend ineinander über - nur manchmal stört das Load- Label. Die New York Times sieht die Grenzen zwischen Kino und Videospielen, den beiden großen audio-visuellen Medien der Gegenwart, "durch die neue Computer- Generation bereits vollkommen verschwimmen." Eine auf den ersten Blick zutreffende Beschreibung einer Realität der Massenmedien, in der man keine Kamera mehr braucht, um Bilder einzufangen, sondern sie mit schnellen Prozessoren und der richtigen Software aus Bits und Bytes zusammenbastelt.

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Filme wie "Star Wars", "King Kong" oder "Spiderman" haben Kulissenbau und Statisten schon lange durch Computereffekte ersetzt und lassen digital animierte Figuren - so genannte "synthespians" - immer öfter auch Haupt- und Nebenrollen übernehmen. Gleichzeitig entwickeln die virtuellen Helden eine derartig starke kulturelle Macht, dass sie den Comic als primären Themen-Thesen-Titel-Lieferanten des US-Actionfilms verdrängt haben. Das Playstation-Movie, die Verfilmung der rudimentären Hintergrundgeschichten von "Resident Evil", "Tomb Raider" und "Doom", gilt in Hollywood als eigenes Genre.

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Ästhetik und Technik der Videospiele beeinflussen das Kino ebenso, wie sich die Videospiele-Industrie Potenziale der alten "Traumfabrik" aneignet. Vor allem das zunehmende Interesse der Marketing-Genies aus Hollywood dient als Indiz für diese Entwicklung. George Lucas gründete bereits 1982 die Firma LucasArts und brachte seitdem unzählige Spiele aus dem "Star Wars"-Universum auf den Markt, Steven Spielberg gab vor einigen Wochen eine umfassende Kooperation mit "Electronic Arts" bekannt, und der Herr von "Herr der Ringe", Peter Jackson, demonstrierte kürzlich, wie nah sich Leinwand und Joystick bereits gekommen sind, indem er parallel zum "King Kong"-Remake auch das gleichnamige Videospiel produzierte. Game und Film teilen sich die Bilder und spazieren Hand in Hand durch den Hyperrealismus der Computer Generated Images.

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Der Regisseur David Cronenberg lobte jüngst in einem Interview zwar die "grafische Kunstfertigkeit der Spiele", warnte jedoch vor "der Tendenz, die Anti-Kunst Hollywoods zu imitieren". Vor allem was Produktion und Distribution angeht, hat sich die Videospiel-Branche den Business-Strukturen der alten Traumfabrik angeglichen: Blockbuster-Budgets, Sequel-Sucht und die Abwesenheit einer lebendigen Independent-Szene auch hier. Oft sind Film- und Videospiel-Studios auch gleich Teil ein und desselben Unterhaltungskonzerns, welcher so alle Stufen der medialen Verwertungskette besetzt und crossmediales Pingpong mit sich selbst spielt.

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Die beschworene Vermischung zwischen Spielen und Filmen findet primär auf der vermarktungstechnischen und optisch-kosmetischen Ebene statt und betrifft nicht zwangsläufig Funktion und Mechanismus des Konsums. Kino und Videospiel sehen vielleicht ähnlich aus, bleiben sich aber trotzdem fremd. Spiele wie etwa die cineastisch geprägte "Metal Gear Solid"-Reihe schneiden zwar nahtlos zwischen Film- und Spielsequenzen hin und her, orientieren sich mit Point-of-View-Spielereien und Schuss-Gegenschuss-Techniken an der visuellen Grammatik des Films und profitieren so beim Spannungsaufbau von der Konditionierungs-Vorarbeit, welche die Erzählkonventionen Hollywoods bei den Zuschauern geleistet haben.

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"Aber im Kino muss man untätig zusehen und versuchen, den Protagonisten von außen zu verstehen", meint Metal-Gear-Solid-Schöpfer Hideo Kojima, der von sich sagt, er bestehe zu 70 Prozent aus Zelluloid und nicht aus Wasser, "bei uns durchlebt der Spieler seine eigene Krise und trifft die Entscheidungen".

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Nicht vergessen darf man dabei jedoch, dass das Medium Videospiel trotz seiner grafischen Perfektion noch lange nicht sophisticated genug ist, um komplexe Handlungszusammenhänge zu simulieren, wie sie etwa "Der Pate" entwickelt. Die Mafia ist schließlich nicht nur ein "Fight Club", sondern ein soziales Konstrukt, in dem Respekt, Ehre und Loyalität als Mittel der Kontrolle wirken. Auf der Playstation löst man die meisten Konflikte aber mit Schrotflinte oder der wunderbaren "Magnum Python". Kein Wunder, dass Francis Ford Coppola verbreiten lässt, er stehe dem Videospiel kritisch gegenüber. Filmfans beschweren sich in Internet-Foren darüber, dass auch das Pate-Spiel - wie die meisten Film-Umsetzungen - im Kern ein "klassischer Shooter" im jeweiligen Film-Setting ist. Dafür gibt es viele Beispiele.

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So ist auch die Spiel-Version der hochgelobten TV-Serie "24" mit Kiefer Sutherland, die seit Ende März auf dem Markt ist, ein relativ straighter First Person Shooter geworden - mit Speicherpunkten und Endgegner-Szenarien, in der sich die Kommunikation der Figuren auf "Gib mir Deckung" beschränkt. "Aber auch bei uns spielen Respekt und der Ruf der Figur eine Rolle", verteidigt sich Pate-Produzent David DeMartini gegen Vorwürfe der Unterkomplexität.

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"Wenn Ihre Figur irgendwann einen hohen Rang innehat, dann werden die Mädchen auf der Straße mit Ihnen flirten, die Herren machen Bücklinge." Doch obwohl eine gewaltfreie Vorgehensweise manchmal strategische Vorteile bringe, habe man bei Tests festgestellt, dass die meisten Leute eine eher gewalttätige Spielweise verfolgen. Werktreue hin oder her. David DeMartini sagt: "Ballern macht wohl einfach mehr Spaß."

Nachlese

Medienexperte: Computerspiele als Chance begreifen - Fördern strategisches Denken und mathematisches Verständnis - kein starker Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Computerspielen (Der Standard, Rondo, 28.4.2006, Tobias Moorstedt)

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