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Tadao Ando hat den Palazzo Grassi sanft renoviert, ...

REUTERS/Manuel Silvestri

... Olafur Eliasson sorgt für nächtliche Effekte an der Fassade.

Pressefoto Palazzo Grassi

... Francois Pinault zeigt dort unter anderem Jeff Koons ...

Pressefoto Palazzo Grassi

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Jeff Koons mit seiner Skulptur "Balloon Dog (Magenta)" vor dem Palazzo Grassi

Foto: AP/Luigi Costantini

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Von hi. nach vo.: Der französische Unternehmer und Kunstsammler Francois Pinault, Jeff Koons (verdeckt), die amerikanische Kuratorin Alison Gingeras und der ehemalige französische Kulturminister Jean-Jacques Aillagon, nunmehr "Palazzo Grassi Director General"

Foto: AP/Luigi Costantini

Zur Wiedereröffnung des Palazzo Grassi in Venedig zeigt der französische Unternehmer Francois Pinault erstmals Teile seiner Kunstsammlung: Die gut 200 Arbeiten sind allesamt vom Teuersten, was der Kunstmarkt derzeit zu bieten hat.

Was kauft einer, der sich schon Gucci, Yves Saint Laurent, Boucheron, Stella McCartney und Alexander McQueen gekauft hat, der das Auktionshaus Christie's sein Eigen nennt, den Kulturträgerhandel FNAC, das Weingut Chateau-Latour, ein Oberliga- Fußballteam, das Stadion von Rennais, das Pariser Theater Marigny und ein Nachrichtenmagazin? Was fehlt einem, der sich den Sektor der Luxusgüter einverleibt hat, nachdem er im Holzgeschäft reüssiert und mit Haushaltsgütern und Mail-Order-Unternehmen sein Imperium ausgebaut hat, und der auch sonst noch allerlei Märkte beherrscht?

Er kauft sich, weiß man seit vielen Jahren, auch Kunst – viel Kunst. Nur hergezeigt hat er sie nicht. 30 Jahre soll er schon gesammelt haben, ehe erste Ansätze, das Gut öffentlich zugänglich zu machen, zunächst scheiterten: Ein 16.000 Quadratmetermuseum in Paris hatte Fran¸cois Pinault sich vom Pritzker-Prize gekrönten Architekten Tada Ando ausdenken lassen, allein die Pariser Behörden zeigten sich nicht entsprechend dankbar. Pinault zog sich zurück.

Ex-Kulturminister

Aktiv natürlich. Und so fand sich, ersonnen vom ehemaligen Französischen Kulturminister Jean-Jacques Aillagon, ein vergleichsweise bescheidenes Ausweichquartier, um zumindest einen Bruchteil der auf etwa 2000 Werke geschätzten Sammlung zu enthüllen: Der Palazzo Grassi in Venedig, den Gianni Agnelli von 1983 bis 2005 zum Ruhme Fiats der Kunst geöffnet hatte. Das Ausstellungshaus mit dem gut eingeführten Namen (nach wie vor ein Standard, Pontus Hultens Schau Futurismo et Futurismi von 1986) ging für 29 Millionen Euro an seinen nunmehrigen Präsidenten Pinault, und Minister Aillagon wurde nach einem Zwischenspiel als Leiter des TV-Senders TV5 Monde Direktor des Kunstpalastes.

Tadao Ando sorgte in nur fünf Monaten für eine sanfte Renovierung (neu überdachter Innenhof, vorgeblendete neutrale Wände, zeitgemäßes Lichtsystem) und konnte dem historischen Gebäude rund 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, verteilt auf 40 Räume, abringen – Platz, um gerade einmal 223 Werke dicht gedrängt auszustellen.

Bis Anfang Oktober heißt es dort nun Where Are We Going?, und die Selektion aus der Pinault-Sammlung – ausgewählt von Guggenheim-New-York- Kurator Alison M. Gingeras – deutet die Richtung an: Einfach weiter wie bisher! Gekauft wird, was teuer ist und Namen hat, ausgestellt wird, was überall sonst auf der Welt auch ausgestellt wird: Monströses von Jeff Koons, der kleine Hitler von Maurizion Cattelan, unbezahlbar Frühes von Gerhard Richter, die Malereien von Luc Tuymans, ein Leuchtkasten von Jeff Wall, eine pneumatisch animierte Sau von Paul McCarthy, ein wenig Porno-Chic von Mike Kelley, routinierte Comics aus der Produktion von Raymond Pettibon und der übliche – diesmal ungemein öde – Fries von Cindy Shermans Puppenspielen zum Geschlechterkampf.

Der historischen Verankerung dienen weiters: das unvermeidliche Mario-Merz-Iglu, ein Kounellis, ein Fabro, ein Anselmo, ein Pistoletto und ein Paolini für Italien, Judds und Serras und Mardens und Rymans für die USA, Arbeiten von Felix Gonzales Torres, um den Mythos vom früh verstorbenen Künstler zu bedienen, und natürliche eine aufgeschnittene Kuh nebst Apotheke von Damian Hirst für den gepflegten Schock. Das grassierend Infantile vertritt selbstredend Takkashi Murakami mit den Abenteuern seines traurig verwachsenen "Inochi".

Selbstverständlich sind viele der Arbeiten aus der Sammlung Pinault von erster Qualität, leiden bisweilen nur – wie etwa die drei Mark Rothkos aus den frühen 1950er-Jahren – an eklatantem Platzmangel, oder schlicht darunter, dass sich keine Freude mehr einstellen will, wenn nun endlich auch in Venedig ein Mao von Andy Warhol beziehungsweise ein paar von Keith Harings Mickey-Mäusen in japanischer Tinte vom letzten Jahrhundert erzählen.

Und ja, Carl Andres 37th Piece of Work (1969–1981), ein Bodenbelag aus jeweils 216 Platten in Kupfer, Aluminium, Stahl, Magnesium, Blei und Zink, beeindruckt, obwohl ein riesiges Jeff-Koons-Herz aus Edelstahl gleich daneben buhlt. Was zumindest in dieser Auswahl fehlt, ist jeder Ansatz von Charakter. Man mag ja diversen PR-Texten über die Kunstliebe des enorm öffentlichkeitsscheuen Herrn Pinault Glauben schenken, man nimmt auch gerne an, dass er schon so manches Atelier von innen gesehen hat, mit vielen Künstlern sogar befreundet ist, nur zeigt sich dieser verbriefte Enthusiasmus im Palazzo Grassi eben gar nicht.

Expansionspläne

Geschickt wird da ein wenig der Vorhang gelüftet, werden die begehrten Aktien kurz ins Licht gerückt, um Stimmung zu machen für die nächsten Expansionsschritte: Derzeit verhandelt Pinault über den möglichen Kauf der Dogana di Mare am Ende der Landzunge zwischen Canal Grande und Canale della Giudecca im Anschluss an Santa Maria della Salute, und in Lille will er, kuratiert von Caroline Bourgeois, ab Februar 2007 auf etwa 6000 Quadratmetern eine Auswahl seiner Foto- und Videoarbeiten zeigen.

Begonnen hat Francois Pinaults Sammelleidenschaft der Legende nach mit einem Gemälde von Paul Sérusier, dem er dann auch gleich seinen ersten Piet Mondrian beigehängt hat. Zuletzt kam der im Moment ebenfalls offenbar zwingend notwendige Olafur Eliasson hinzu: Der lieferte dem besessenen Einkäufer, passend zu Jeff Koons rosa Ballon Dog, ein nächtens zart leuchtendes Netz zur Aufwertung der Fassade des Palazzo Grassi und somit den garantierten Wiedererkennungswert für das neue Haus für internationalen Luxus auf Miami-beach-Niveau. (DER STANDARD, Printausgabe vom 29./30.4.2006)