Der ÖBB-Konzern weist mit Nachdruck die Existenz einer vom Magazin "Format" heute kolportierten "schwarzen Liste" bei den Regionalbahnen zurück.

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Wien - Die ÖBB denken über die Zukunft von 28 Regionalbahnen in Österreich nach. Derzeit gibt es ein unternehmensinternes Grobkonzept, das in den nächsten Wochen noch adaptiert und dann den politischen Entscheidungsträgern präsentiert wird, heißt es aus ÖBB-Kreisen. Damit wird indirekt ein Vorab-Bericht des am Freitag erscheinenden Wirtschaftsmagazins "Format" bestätigt, der auf ein "Gesamtkonzept Regionalbahnen" verweist.

Gesamtkonzept bis Sommer

Eine "Schwarze Liste" existiere aber keinesfalls, das Papier sei lediglich eine Datenerfassung, betonte das Unternehmen umgehend. "Eine solche Liste gibt es nicht, das Gesamtkonzept für die Weiterentwicklung der Regionalbahnen in Zusammenarbeit mit den Ländern ist noch nicht fertig", so ÖBB-Chef Martin Huber. Es gebe Gespräche mit einigen Ländern seit Herbst, die noch nicht abgeschlossen seien. "Richtig ist, dass wir es uns zum Ziel gesetzt haben, ein Gesamtkonzept noch vor dem Sommer - also spätestens im Juni - vorzulegen", betonte der ÖBB-Boss.

In der Vergangenheit hatte Huber mehrmals klar gemacht, dass Finanzierung und Ausbau des Nahverkehrs kein "Wunschkonzert" sei. Will die Politik Investitionen in den Bahnausbau, dann muss sie dafür auch mitzahlen, hatte Huber erst gestern, Mittwoch, bei der ÖBB-Bilanzpressekonferenz betont.

Kritische Prüfung

Dem "Format"-Bericht zu Folge enthält das 37 Seiten starken "Gesamtkonzept Regionalbahnen" vom 15. April 2006 folgende Eckpunkte: Von den 74 noch in Betrieb befindlichen Nebenbahnen sollen 16 aufgegeben werden. Diese Bahnen sollen entweder geschlossen oder an regionale Betreiber, wie etwa das Land Niederösterreich, abgetreten werden. Weitere zwölf Strecken stehen "zur Disposition" und sollen "kritisch geprüft werden", zitiert "Format" aus dem Papier. Darunter befinde sich etwa die Kamptalbahn. Insgesamt könnten 678 Bahnkilometer aus dem Netz genommen werden, heißt es in dem Bericht.

Niederösterreich ist demnach von den Einsparungen am stärksten betroffen: Mariazellerbahn, die Ybbstal-Bahn und mehrere Strecken im Waldviertel finden sich in dem Konzept.

Millionen-Ersparnis

Inklusive der Streichung von Investitionen in die Infrastruktur der Regionalbahnen könnte die ÖBB demnach im Jahr 2007 so 25,5 Millionen Euro einsparen. Bis 2001 soll die jährliche Ersparnis auf 37,4 Mio. Euro steigen. Die Verhandlungen mit Niederösterreich seien weit fortgeschritten, so "Format". Friedrich Zibuschka, Leiter der Gruppe Raumordnung und Umwelt im Amt der NÖ Landesregierung, erklärte gegenüber dem Magazin: "Wir sind an der Übernahme des Gesamtpaketes interessiert. Die Details werden derzeit verhandelt."

Die ÖBB-Gewerkschaft protestiert. "Es gab schon früher Einstellungswellen, jetzt geht es an die Substanz", wird Claus Faber, Verkehrsexperte der Gewerkschaft der Eisenbahner, zitiert. Faber befürchtet, dass Niederösterreich die Bahnen zuerst übernehmen und danach ein Drittel zusperren könnte. Der Gewerkschafter: "Mit unserem Steuergeld Bahnen zu schließen, ist einfach unglaublich."

Übertragung der Kompetenzen an die Länder

Der Bund will künftig mehr Kompetenzen - auch über Budgetmittel - an die Länder abgeben. Getreu dem Motto: Wer sich eine Bahnstrecke oder Straße wünscht, soll diese auch mitzahlen. Die Länder befürchten, dass dies über die Jahre eine Kürzung der Mittel zur Folge habe. Erst Ende März war ein Gipfeltreffen in Wien zwischen Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (B), Verkehrs-Staatssekretär Helmut Kukacka (V) und Vertretern der Länder zur künftigen Nahverkehrsfinanzierung ohne konkrete Ergebnisse zu Ende gegangen. Knackpunkte sind weiterhin die Höhe der Finanzierung durch den Bund sowie eine Deckelung der Kosten, der Preis für das Infrastruktur-Benützung-Entgelt (IBE, "Schienenmaut") und die Einführung eines Taktfahrplanes. (APA)