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Wien - Das umfangreiche lyrische und essayistische Werk der Wiener Autorin Heidi Pataki entstammt einer zwischenzeitlich wie spurlos verschwundenen Epoche, als "kritisches Bewusstsein" vermeinte, seine unter Mühen poetisch gewonnenen Einsichten nicht unter Wert verschleudern zu dürfen. In Patakis Gedichten gehen argumentative Festigkeit und formale Beweglichkeit eine heute kaum mehr für glaublich gehaltene Allianz ein: "ein blutbad ist die liebe, und sei's der duft / von lilien; ein kirschgarten, so weiß erblüht / im schwanz des winters, also jetzt im märz".

Wer solches schreibt, war mit allen möglichen Facetten eines unglücklichen, aber desto heller leuchtenden Bewusstseins begabt. Pataki, die einige für ihr durchaus selbstloses Engagement in berufsständischen Fragen, etwa als Mitbegründerin der Grazer Autorenversammlung (1973) voller Dankbarkeit im Gedächtnis bewahren werden, zitierte bei Bedarf barocke Gedichtformen - und goss diese mit Schmählichkeiten aus, die sie in den vorgestanzten Sprachschablonen einer alles verschlingenden Kulturindustrie allerorts vorfand.

Darüber kann leicht in Vergessenheit geraten, dass Pataki ihr womöglich folgenreichstes Gedichtbuch ( Stille Post , 1976) in Heimrad Bäckers essenzieller "edition neue texte" zu Linz publizierte: also dort, wo man das sprachkritische Erbe der Wiener Gruppe nicht verwahrloste, sondern es behutsamen Modifikationen unterzog. "die sprache zerrt am hosenbein": Pataki muss diese Zudringlichkeit als die eines allesfressenden Köters empfunden haben, der in der österreichischen Öffentlichkeit auch alles dasjenige empfindungslos verdaute, was coram publico zum Himmel stank. Pataki, die jetzt 65-jährig überraschend in Wien gestorben ist, war eine einsichtsvolle Begleiterin der vielfachen Verwerfungen im kulturellen Selbstbild dieses Landes. Dass ihre Anteilnahme öfter von Wut gespeist war, nimmt für die Filmkennerin und Kulturkritikerin (etwa des Neuen Forums ) umso nachhaltiger ein. (Ronald Pohl/DER STANDARD, Printausgabe, 28.04.2006)