An Demenz erkrankten Menschen eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten ist das Ziel der neuen Tagesstruktur "Regenbogen" in Linz. Das gemeinsames Backen erfreut sich dabei höchster Beliebtheit

Foto: Volkshilfe
Linz - Treffpunkt gleich nach dem gemeinsamen Frühstück ist jeden Morgen der große Wandkalender. Gebannt blickt die Gruppe vorwiegend älterer Menschen auf die anschaulich gereihte Abfolge von Wochentagen und Monaten. "Heute ist der . . .?" - Sabine Wögerbauer ist bemüht der lächelnden Kalender-Gruppe das richtige Datum samt Jahreszahl zu entlocken.

Glücklich trotz Vergessen

Doch man tut sich schwer, fortschreitende Demenzerkrankungen haben das Vergessen unaufhaltsam in den Vordergrund gerückt. Und trotzdem wirken diese Menschen glücklich in ihrer Welt der "Gedankenlosigkeit". Das Tageszentrum "Regenbogen" der Volkshilfe Oberösterreich bietet als erste professionelle Betreuungsstruktur in Linz Hilfe speziell für Menschen mit Demenz. Seit Dezember 2005 beleben von Montag bis Freitag zwischen 7.30 und 16 Uhr zehn Personen die hellen und freundlichen Räume des Tageszentrums.

"Musik holt alle ab"

"Es ist hier eigentlich wie in einem großen Wohnzimmer. Wir setzen ganz bewusst auf eine kleinere Einheit und wollen keinen Heim-Charakter", erklärt Leiterin Sabine Wögerbauer im STANDARD-Gespräch. Struktur bedeutet Lebensqualität für demente Menschen. Insbesondere der Vormittag ist im "Regenbogen" fix verplant. Am Beginn steht jeden Morgen das gemeinsame Frühstück, dann gilt es den Tag am Kalender zu entdecken, darauf folgt das tägliche "Guten-Morgen-Lied".

"Mit Musik holt man fast alle ab. Es ist erstaunlich, wie gut sich manche noch an Lieder-Texte erinnern können", freut sich Wögerbauer. Das Mittagessen wird täglich mit einer Glocke eingeläutet, auf den Tischen stehen zur Erinnerung an jedem Platz Namenskärtchen. Relaxt wird dann entweder im "Snoezelen-Raum" - einem Ort der Sinne mit Wasserbett, Lichtkugel, Sternenhimmel und Musikanimation oder im hauseigenen Garten.

Gegenstände für das Langzeitgedächtnis

Auffallend ist vor allem die Einrichtung der Betreuungsstätte. Modernes Equipment paart sich da ganz bewusst mit Wohn-Accessoires aus Großmutterzeiten wie alten Radios, Nähmaschinen oder altmodischen Stehlampen. "Alles Dinge, an die sich unser Klientel erinnert. Das Langzeitgedächtnis funktioniert meist gut, wogegen das Kurzzeitgedächtnis zumeist völlig ausgeschaltet ist", erklärt Wögerbauer. Herzstück im Wohnzimmer ist unter anderem der Erinnerungskoffer. Das alte Reiseutensil enthält zahlreiche Gegenstände vergangener Tage, die in Gesprächstherapien für Betroffene zum vielbesprochenen Mittelpunkt werden.

Wie wichtig solche Einrichtungen sind zeigen aktuelle Zahlen: Laut Experten gibt es in Österreich rund 100.000 Demenzkranke, jährlich kommen etwa 20.000 Fälle dazu - 60 Prozent der Demenzfälle sind Morbus Alzheimer. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.04.2006)