"Es ist mir völlig gleichgültig, ob der Radfahrer rechts oder links an dem Baum vorbei fährt", meint Hans Monderman, während er am Rand der Hauptstraße von Haren steht. Obwohl – "Rand" ist relativ. Schließlich ist die ganze Verkehrsfläche eine Ebene.
Eine Trennung zwischen Fahrbahn, Radweg und Gehsteig gibt es hier nicht. In der vor 30 Jahren entwickelten Vision von Verkehrsplaner Monderman kann sich jeder der gleichberechtigten Teilnehmer selbst seinen Weg bahnen. "Shared Space" – gemeinsamer Raum – nennt sich das Konzept, das seit 2004 auch im Rahmen eines vierjährigen EU-Projektes untersucht und getestet wird.
Dabei geht es nicht einfach darum, alle Verkehrsschilder abzumontieren, wie manchmal berichtet wird. Mondermann geht es um die egalitärere Gestaltung des Verkehrsraums – von konfliktträchtigen Kreuzungen bis hin zu ganzen Städten.
Nimmt man Regeln weg, steigt die Sicherheit
Nimmt man Regeln weg und wird die Verkehrssituation unübersichtlicher, steigt die Sicherheit, ist auch Ben Hamiliton-Baillie vom Shared-Space-Team sicher. Und führt als Beispiel die Kensington High Street in London an: Dort wurden versetzt installierte Gitter, die Fußgänger vom einfachen Betreten der Fahrbahn abhielten, vor drei Jahren entfernt. Jetzt kann dort jeder die Direttissima auf die andere Seite nehmen – die Zahl der Unfälle sank trotzdem um 70 Prozent, weil die Autofahrer vorsichtiger fahren.
Vorsichtiger und damit langsamer, wie Messungen in den Niederlanden ergaben. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt von knapp 45 auf rund 15 Stundenkilometer. Zeitverlust bedeutet dies jedoch nicht automatisch. Beispiel Drachten: Nachdem dort eine stark frequentierte Kreuzung beim Busbahnhof umgebaut worden war, mussten die Busse dort nur mehr neun statt früher 55 Sekunden warten.
Kein starres Schema
Allerdings: "Shared Space
ist kein starres Schema, sondern kulturabhängig", gesteht
Monderman ein. Dora Donosa,
Verkehrspsychologin beim
ÖAMTC sieht dies ähnlich –
und ist bezüglich der raschen
Umsetzbarkeit in Österreich
skeptisch. "Bei uns haben sowohl Bürger als auch Beamte
gelernt, dass alles geregelt werden muss. Eine Verhaltensänderung dauert wohl etwas länger. Und eine sofortige, vollständige, Übernahme des niederländischen Konzeptes auf
Unverständnis stoßen",
schätzt Donosa.