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Van der Bellen: "Die ÖVP tut so, als ob der ORF ihr Privatfernsehen ist."

Foto: APA/Jäger
Das Programm sei fad, die Unabhängigkeit des ORF dahin, behauptet Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Jetzt stehe auch die Pressefreiheit auf dem Spiel. "Soll die ÖVP doch den ORF kaufen", sagt Van der Bellen im Gespräch mit Michael Völker.

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STANDARD: Schauen Sie ORF?

Van der Bellen: Spät am Abend, wenn ich nach Hause komme, schaue ich gelegentlich. Aber das Programm wird zunehmend uninteressant.

STANDARD: Was gefällt Ihnen nicht?

Van der Bellen: Es ist einfach fad. Sowohl das Informationsprogramm wie auch der Rest des Programms. Die Informationssendungen, die ZiB's, die Magazine, die sind einfach langweilig und einseitig. Gesendet wird, was der ÖVP nützt, ausgeblendet wird, was ihr nicht passt. Die ÖVP tut so, als ob der ORF ihr Privatfernsehen ist. Soll die ÖVP doch den ORF kaufen, dann hat sie wenigstens auch das kaufmännische Risiko zu tragen.

STANDARD: Monika Lindner scheint als Generaldirektorin festzustehen, Werner Mück als Informationsdirektor, Heidi Glück als Generalsekretärin, Gerhard Jelinek als Chefredakteur - der totale Schwarzfunk?

Van der Bellen: Das würde der ÖVP so passen, Monika Lindner als Generaldirektorin zu bestellen und den Rest dann im Sommer bis vor der Wahl durchzuziehen. Ich verlange eine Bilanz der vergangenen fünf Jahre - und zwar eine neutrale, also nicht von der ÖVP. Aber ich kann jetzt schon sagen: Die fünf Jahre Bilanz Molterer-Lindner schauen ganz schlecht aus. Der ORF hat seine Unabhängigkeit verloren. Das ist ganz arg. Wenn die Glaubwürdigkeit dahin ist, sind die Quotenverluste kein Wunder. Damit gehen auch die Werbeeinnahmen zurück, und damit ist die kommerzielle Zukunft des ORF in Frage gestellt. Das mutet uns die ÖVP zu. Wissen eh alle, dass hinter der Kulissentür längst alles mit der ÖVP ausgemacht, dass Lindner wieder Generaldirektorin wird. Aber so wird es nicht gehen. Ich möchte wissen, was das Konzept für die nächsten fünf Jahre ist, damit der ORF nicht auch kommerziell den Bach runtergeht.

STANDARD: Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Van der Bellen: Darüber reden zum Beispiel. Druck über die Öffentlichkeit machen. Hier steht nicht nur die Unabhängigkeit des ORF, sondern letztlich die Pressefreiheit auf dem Spiel. Insofern war der Gruß von Wolfgang an Silvio symptomatisch. Der denkt sich nichts dabei. Die Unvereinbarkeit des Medienzaren mit dem Amt des Ministerpräsidenten war Schüssel keinen Gedanken wert. Abgesehen davon, was man noch Berlusconi noch vorwerfen könnte: Korruption, Kampf gegen die Justiz, Nähe zur Mafia.

STANDARD: Haben Sie selbst schon im ORF interveniert?

Van der Bellen: Beklagt habe ich mich. Öfter sogar. Zwei Mal im Jahr treffe ich mich mit Werner Mück, um Beschwerden auszutauschen.

STANDARD: Hat Mück auch Beschwerden? Beschwert er sich etwa über Sie?

Van der Bellen: Er beschwert sich, dass ich mich beschwere. Rechenschaft muss aber nicht Mück ablegen, das muss die Generaldirektorin tun. Persönlich bin ich mit ihr seit Jahrzehnten gut bekannt, aber persönliche Freundschaft ist das eine, das Geschäft ist das andere. Ich möchte von ihr ein Konzept haben, warum sie glaubt, dass sie die Beste ist.

STANDARD: Was macht Monika Lindner falsch?

Van der Bellen: Der ORF wird nicht geführt. Er könnte ein zentrales Leitmedium sein. Ist er aber nicht. Politischer Druck wird entgegengenommen und an die Redaktionen weitergeben. Bei Personalfragen ist ÖVP-Nähe wichtiger als fachliche Qualifikation. Für die Langeweile, die sich breit macht, trägt die ORF- Führung gemeinsam mit der ÖVP die Verantwortung. Sogar der Sport im ORF ist langweilig.

STANDARD: Sie schauen Sport?

Van der Bellen: Wenn ich Eurosport aufdrehe, ist das spannend. Die haben es sogar geschafft, mir Curling nahe zu bringen. Die österreichischen Kommentatoren sind dagegen immer die gleichen Langweiler, ältere Herren. Die schaffen es sogar, österreichische Goldmedaillen zu einem Schnarchthema zu machen.

STANDARD: Die ÖVP hat ein Fairnessabkommen für den Wahlkampf vorgeschlagen. Werden Sie das unterstützen?

Van der Bellen: Schlägt das nicht immer jene Partei vor, die am tiefsten in die Schublade greift? Ganz ehrlich: Das soll sich der Molterer mit dem Lopatka ausmachen. Sollen die doch ein Fairnessabkommen schließen.

STANDARD: Die ÖVP hält Alfred Gusenbauer vor, in Marbella zu urlauben und dort dem Jet Set-Leben zu frönen. Ist Urlaub in Marbella verwerflich?

Van der Bellen Mir ist das wurscht, wo Alfred Gusenbauer hinfährt. Eines kann ich aber sagen: Mit Jet Set bringe ich Gusenbauer wirklich nicht in Verbindung. (DER STANDARD; Printausgabe, 15./16./17.4.2006)