Eine nackte Frau am Kreuz empört Salzburg: Die Aktion der polnischen Künstlerin Dorota Nieznalska ist für Karfreitag geplant.

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Wegen der Installation "Passion" wurde Nieznalska in Polen zu sechs Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
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Eine für Karfreitag geplante "Glaubensprozession" lässt bei PolitikerInnen den Ruf nach Zensur laut werden.

Salzburg – Christlicher "Karikaturenstreit" an der Salzach: Seit dem Wochenende ist das Bild einer nackten "gekreuzigten" Frau die Causa prima für Politik und Medien in der Landeshauptstadt. Das Sujet ist in Salzburg auf Plakaten zu sehen und bewirbt die Veranstaltung "ER-lösung? Eine Glaubensprozession" der Arge Kultur am Karfreitag. Bei der als Prozession vom Stadtzentrum bis ins Nonntal angelegten Kunstaktion solle der Bogen "vom christlichen Bild des Opfertodes Jesus Christus hin zum säkularisierten Gebrauch/Missbrauch des Opferbegriffes" gespannt werden, so die VeranstalterInnen zum Inhalt der Performance mit der polnischen Aktionskünstlerin Dorota Nieznalska.

Die Reaktionen auf das Plakatsujet sind heftig. Allen voran fordert Bürgermeister Heinz Schaden (SP) eine Absage der Veranstaltung. Schaden schwingt die Förderungskeule und warnt vor "Streitereien um jede Subvention für die Arge", sollte die Veranstaltung doch stattfinden. Schadens Ansage ist umso bemerkenswerter, als die Führung der Arge Kultur mehrheitlich dem sozialdemokratischen Lager zugerechnet wird.

VP droht mit Anzeige

Auch die ÖVP ruft nach Zensur: In einem Brief an Polizeidirektor Gottfried Mayr verlangt Gemeinderatsklubchefin Claudia Schmidt, "die Genehmigung für die Veranstaltung nicht zu erteilen". Schmidt verweist zudem auf die Möglichkeit einer Anzeige nach Paragraph 188 – "Herabwürdigung religiöser Lehren".

Unterschiedlich sind die Stellungnahmen der Kirchen. Während Erzbischof Alois Kothgasser von einer Verhöhnung christlicher Werte spricht, will die evangelische Superintendentin Luise Müller erst nach der Veranstaltung urteilen.

Vonseiten der VeranstalterInnen gibt man sich über die Massivität der Attacken überrascht. "Die Verletzung religiöser Gefühle ist kein Ziel der Veranstaltung", so Marcus Hank, künstlerische Leiter der Arge Kultur. Beleg für die Ernsthaftigkeit sei eine Diskussionsveranstaltung Dienstagabend, die gemeinsam mit der Katholischen Hochschulgemeinde organisiert werde. Am Podium sind mit Gregor Hoff und Hans Joachim Sander auch zwei prominente Salzburger Theologen vertreten.

Das Projekt der Prozession bearbeite das Bild "des Opfers". Das größte Opfer, das die europäische Kultur geprägt habe, sei eben "das Opfer Jesus Christus am Kreuz." Man habe die Aktion im Vorfeld auch mit den Verantwortlichen von Dom und Franziskanerorden abgestimmt, "um platte Provokationen zu vermeiden", also um die zeitgleich im Dom stattfindende Liturgie nicht zu stören. Hank kritisiert im Gegenzug Politik und Erzdiözese. Niemand habe sich inhaltlich informiert. Auch viele Medien hätten sich nicht kundig gemacht.

Unterstützung findet Hank beim Dachverband Salzburger Kulturstätten und bei der BürgerInnenliste. Während der Dachverband ein Bekenntnis zur "Freiheit der Kunst" fordert, sieht die BürgerInnenliste Bürgermeister Schaden als "Zensor" und Salzburgs Kulturgeschehen generell von einer "Geschmacksmafia" regiert.

Die Künstlerin Dorota Nieznalska hatte bereits in Polen einen veritablen Skandal ausgelöst: Bei der Installation "Passion" hatte sie einen Penis auf ein Kreuz projiziert – und war dafür 2003 mit Passeinzug und gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.04.2006)