Der ÖGB gestaltet seine Zukunft: Die kleinen Fraktionen und die Landesorganisationen wünschen sich mehr Mitsprache.

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Im Gewerkschaftsbund ist es üblich, dass hauptamtliche Sekretäre sich in die Rolle von Vorsitzenden hochdienen und in dieser Funktion ebenfalls ÖGB-Angestellte bleiben. Diese jahrzehntelange Praxis wird nun infrage gestellt.

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Wien - "Man muss sich fragen, ob es Sinn macht, dass Angestellte des ÖGB in die Funktion von Gewerkschaftsvorsitzenden hineinwachsen und dann einfach weiter Angestellte des ÖGB sind", sagt der niederösterreichische Beamtengewerkschafter und FCG-Obmann Alfred Schöls im Gespräch mit dem STANDARD: "Das war ja letztlich das Problem des Fritz Verzetnitsch, dass er geistig der brave Angestellte geblieben ist."

Dieses Problem stellt sich allerdings auch in anderen Organisationen - Sekretärs-Karrieren, die in einer Spitzenfunktion enden, gibt es vom Bundeskanzler (Wolfgang Schüssel war 16 Jahre lang Wirtschaftsbund-Generalsekretär) abwärts im gesamten politischen System. Das Muster: Jemand lernt als weisungsgebundener Angestellter die Organisation kennen und wird dann an die Spitze gewählt - da soll er selbstständig entscheiden, führen und selbst Weisungen geben.

Im ÖGB ist dieses Muster allerdings besonders ausgeprägt. Da sei auch nicht viel zu machen, meint der Grünen-Abgeordnete und Gewerkschafter Karl Öllinger, sonst ein Kritiker der gewerkschaftsinternen Auswahlmechanismen: "Im gewerkschaftlichen Bereich haben ehrenamtliche Funktionäre wegen des enormen Zeitbedarfs ein Problem. Da kann allenfalls ein freigestellter Betriebsrat eine gewerkschaftliche Spitzenfunktion übernehmen."

Wobei dieser dann riskieren würde, im Betrieb zu wenig präsent zu sein und nicht mehr wiedergewählt zu werden. Spitzenfunktionäre mit enger Bindung an die betriebliche Praxis kann es daher kaum geben. Eine Ausnahme bilden dabei die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, deren Funktionäre in ihrem öffentlichen Dienstverhältnis verbleiben - sie arbeiten in der Praxis für die Gewerkschaft, werden aber nicht zu Angestellten des ÖGB.

Anderer Führungsstil

Der derzeitige ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer ist noch heute stolz darauf, bis vor acht Jahren auf der Dienststelle in seinem angestammten Beruf bei der Gemeinde Wien direkt gewählt worden zu sein. Der schwarze Funktionär Schöls geht davon aus, dass dieser persönliche Hintergrund den roten Präsidenten Hundstorfer zu einem anderen Führungsstil befähigt.

Die Christgewerkschafter hoffen auf einen Kurswechsel, vor allem eine Neustrukturierung der Gremien. Der traditionelle Weg dahin könnte in die Irre führen, erklärt Schöls: Wenn im Vorfeld des Bundeskongresses im kommenden Jahr die Landes- und Fachorganisationen ihre Organtage abhielten und Beschlüsse fassten, würden die bestehenden Strukturen zementiert. Da sei es sinnvoller, von oben nach unten zu reorganisieren.

Wobei die Länderorganisationen - allen voran der Vorarlberger Landeschef Norbert Loacker - schon jetzt mehr Mitsprache fordern.

Andererseits gab es zuletzt Kritik der SPÖ-Gewerkschafter, dass einer zu viel mitgesprochen hätte: Alfred Gusenbauer habe eine "verheerende Optik" entstehen lassen, indem er unmittelbar vor dem Bawag-Verkaufsbeschluss öffentlich einen entsprechenden Rat gab, kritisierte GPA-Chef Wolfgang Katzian.

SP-Geschäftsführer Norbert Darabos will von einem Konflikt nichts wissen: Es habe in dieser Sache "nur freundschaftliche Gespräche" gegeben, Gusenbauers Meinung habe sich einfach mit der der Gewerkschaftsspitze gedeckt. (DER STANDARD, Printausgabe, 11. 04. 2006)