Das SOS-Gate: Nahe dieses Zeichen, kann man sich während des Donaufestivals in Krems auch SOS-Pässe ausstellen lassen. Mit 30. April, 17 Uhr, wird die SOS-Botschaft zum Kreisverkehr bei der Kunsthalle übersiedelt, wo sie als Schutz- und Freizone des "State of Sabotage" weiterwirkt.

Foto: State of Sabotage
Möglicherweise ähnelt sie einem Donut, die Botschaft des "State of Sabotage" - kurz SOS: Ein "in sich geschlossenes Sofa", heißt es, markiert während des donaufestivals im Kremser Stadtpark die temporäre Vertretung des 2003 gegründeten Kunststaats.

Gehirn- statt Biomasse

Die Idee der künstlerischen Mikro-Nation ist bekannt. Da wäre etwa "AVL-Ville" von Joep van Lieshout, die 2001 ebenso als souveräner, weltlicher, demokratischer Freistaat mit eigener Verfassung gegründet wurde.

Dass das Glück am Pier des Rotterdammer Hafens nur wenige Monate währte, ist nicht der einzige Unterschied zu dem von sabotage-Kopf Robert Jelinek ins Leben gerufenen SOS. Ganz ohne eigene Territorien steht dieser Staat allerdings nicht da. Zu einigen Quadratmetern im Walviertel und Tschechien, kommen gar 500 Hektar Land in Australien. Essentiell ist der Landbesitz dennoch nicht: "State of Sabotage" ist keine autonome Künstlerkommune, die Schweine verwurstet und Kuhdung in die eigene Biogasanlage einspeist. SOS besetzt viel lieber temporär geistige Gefilde statt fixe geographische Territorien: Quasi Gehirn- statt Biomasse.

Ganz unverortet können die von SOS initiierten geistigen Ex- und Diskurse zu Umwelt, Zeitgeist und Alltagskultur allerdings nicht stattfinden: Daher also die temporäre Botschaft - oder vielmehr das einladende Botschafts-Sofa, das bei einer staatstragenden Zeremonie zu Festivalbeginn eingeweiht wird. Hymnenbegleitet wird da zur Kanaldeckel-Installation geschritten: Dieses "SOS-Gate" steht staatswappenverziert nicht nur für den einzigen Zugang zum Staate Sabotage, sondern lässt auch an eine Einstiegsstelle zu den "Sub"-Kulturen" denken.

Genre-übergreifender Sofa-Talk

Der Musiker, DJ und Journalist Didi Neidhart wird fortan – und allen zu erwartenden Wetterlaunigkeiten des Aprils zum Trotz – Musiker und Künstler des Festivals zu sich aufs luftige Open-Air-Sofa bitten, die Botschaft zum "Speakers Corner" umwidmen. "We Take Prisoners – Sampling As Kidnapping" heißt eines der mitunter provokant formulierten Motti, die Arbeitsweisen in der Musik zum Thema macht und mit Schlagworten wie "Body Language", "Gender", "Sex", "Race", "Class" oder "Nation" kombiniert. Ein genre-und staatsgrenzen-übergreifender Sofa-Talk.

Die Verknüpfung von Theorie, Performance, Aktionismus, Bildender Kunst und Musik, die das Projekt "State of Sabotage" ausmachen, kennzeichnet seit 1993 auch alle Aktivitäten von "Sabotage Communications", "Sabotage Records" und Robert Jelinek. Eine Ideologie die sich jeder Eindeutigkeit und Kategorie entzieht, mediale Botschaften sowohl bewusst einsetzt als sie auch verweigert.

In Anlehnung an Beuys "7000 Eichen für Kassel" brachte Jelinek 2002 bei der Kasseler documenta 70.000 Cannabis-Samen aus, parfümierte 1998 Geldscheine mit der zum Himmel stinkenden Duftkreation "Cash", oder versah 2000 den Loquaiplatz im sechsten Wiener Hieb mit Hundeklo-Odeur. Letztere Intervention im öffentlichen Raum erscheint mittlerweile zwar vollkommen überflüssig, vermag aber sogar das unempfindlichste Näschen zu "sabotieren." Ein Begriff der sich übrigens vom französichen "Sabot" ableitet, einem Holzschuh, den die Arbeiter während der industriellen Revolution in die Mäh- und Dreschmaschinen warfen, die ihre Arbeitsplätze geschluckt hatten. Womit diese - zumindest eine Zeit lang - unbrauchbar wurden. - Im Vergleich zu fliegenden Holzschuhen ist so ein weiches Sofa im Stadtpark, ein doch viel vergnüglicher anmutendes Irritationsmöbel mitten in Krems.