Graz – Mit zwei Schuldsprüchen endete am Freitag der Aufsehen erregendsten Prozess um die "Baby-Morde" in Graz. Nachdem im Juni 2005 vier tote Babys in einem Haus in der Grazer Thalstraße entdeckt wurden, zwei in einer Tiefkühltruhe, eines in einem Plastikkübel einzementiert und eines in einem Plastiksack unter Gerümpel versteckt, wurden nun die Eltern in drei Fällen wegen Mordes verurteilt, die Mutter in einem vierten Fall wegen Tötung nach der Geburt. Richter Karl Buchgraber verkündete lebenslange Haft für die Frau und 15 Jahre für ihren Lebensgefährten. Beide Urteile sind nichts rechtskräftig.

"Ich bin keine Mörderin. Ich kann's nicht mehr gut machen. Ich muss damit leben, das ist eine große Tragik für mich", erklärte die Hauptangeklagte in ihrem Schlusswort. Dann warf die 33-jährige Gertraud A. ihrem mitangeklagten Freund, dem 39 Jahre alten Johannes G., noch eine Kusshand zu, bevor sich die Geschworenen zurückgezogen.

"Sie ist eine Mörderin, sie hat die Babys brutal und grausam ermordet. Und er ist ein Mörder durch Wegschauen", sah Staatsanwalt Johannes Winklhofer die Sachlage in seinem Schlussplädoyer naturgemäß ganz anders. Der Mann habe von Anfang an alles gewusst. Dass er, der bereits drei Kinder mit einer anderen Frau hat, die Schwangerschaften bei Gertraud A. nicht bemerkt habe, glaubten ihm auch die psychiatrischen und gynäkologischen Gutachter nicht. "Unglaubwürdig" oder "nicht nachvollziehbar" war die einhellige Meinung.

Gerichtspsychiater Friedrich Rous betonte, dass es für die Frau keine mildernden Umstände geben könne: Er habe vergeblich "gehofft, eine Entschuldigung für diese Handlung" bei der "überdurchschnittlich intelligenten" Frau zu finden. Bei beiden Eltern sei keine "psychische Krankheit" feststellbar. Auch die von der Frau, die die Tötungen nicht leugnete, immer wieder beschriebene Amnesie im Zusammenhang mit den Taten sei "psychiatrisch nicht nachvollziehbar". Die Verteidigung kritisierte indes, das ein weiteres Gutachten nicht zugelassen wurde und meldete Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an.

Die Geschworenen befanden, G. habe seine Freundin durch Äußerungen wie "Bei einer Schwangerschaft kannst du dich schleichen" in ihren Taten bestärkt. Entsetzt zeigte sich hingegen der katholische Seelsorger des Paares, der den Vater für unschuldig hält, vom Urteil: "Wie kann jemand nur auf Verdacht hin verurteilt werden?" "Darf ich der Gertraud noch einmal die Hand geben?", fragte G., als er abgeführt wurde. "Jetzt nicht", entschied der Richter. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD Printausgabe 1/2.4.2006)