Wien - Der Publizist, Historiker, Schriftsteller und Burgtheater-Chefdramaturg Friedrich Heer (1916-1983) gilt als einer der bedeutendsten Intellektuellen Österreichs im 20. Jahrhundert. Er hat in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg das geistige Leben nachhaltig befruchtet, saß mit seinen wortreich verfochtenen Überzeugungen im Nachkriegsösterreich aber zwischen allen Stühlen. Heer, der am 10. April 90 Jahre alt geworden wäre, und seiner geistigen Welt ist von Donnerstag bis Samstag ein von der Österreichischen Forschungsgemeinschaft organisiertes Symposion an der Universität Wien gewidmet.

Heer trug mit seinen zielgenauen Formulierungen in seinen 50 Büchern und Hunderten von Essays und Artikeln zum Zitatenschatz der Nation bei. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem der entschiedene Gegner des Nationalsozialismus mehrmals verhaftet wurde, rief Heer im aufkeimenden Kalten Krieg in seinem gleichnamigen Buch zum "Gespräch der Feinde" auf, um im Prozess des gegenseitigen Kennenlernens Hass und Feindschaft abzubauen. Die europäische Idee ("Europa unser") ließ Heer ebenso wenig los wie der Abbau von verhärteten Fronten, die dieses Europa durchzogen. Auch die Gegensätze innerhalb der österreichischen Seele sollten in offenem Dialog ("Der Kampf um die österreichische Identität") erstritten werden, um der heimischen Identitätsfindung nachzuhelfen.

Vermittler

"Wir haben zu wenig qualifizierte Gegnerschaft und zu viel unqualifizierte Feindschaft", sagte Heer einmal. Als Vermittler zwischen verschiedensten ideologischen und religiösen Fronten geriet er aber auch selber zwischen diese. So hat Heer mit "Gespräch der Feinde" einen wesentlichen Anstoß für den Dialog innerhalb der katholischen Kirche, der christlichen Kirchen miteinander sowie der Kirchen mit Gesellschaft und Staat geliefert, schreibt Hubert Feichtelbauer auf Heers Homepage. Doch seine "linkskatholische" Einstellung beendete 1961 seine seit 1949 dauernde Tätigkeit als Redakteur der Wochenzeitschrift "Die Furche".

Zeit seines Lebens kämpfte er gegen religiösen und politischen Antisemitismus. Rudolf Augstein bezeichnete das 1967 erschienene Werk "Gottes erste Liebe" zum Verhältnis von Christen und Juden als "zwischen zwei Buchdeckeln eingebundene Atombombe". Für Zündstoff sorgte er auch im Folgeband ("Der Glaube des Adolf Hitler"), wo er Hitlers Antisemitismus kirchengeschichtlich fundierte.

Studium

An der Uni Wien studierte der am 10.4.1916 in Wien geborene Heer Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik, er habilitierte sich 1950. Ab 1961 arbeitete Heer elf Jahre lang als Chefdramaturg am Wiener Burgtheater. Neben seinen journalistischen und künstlerischen Tätigkeiten betätigte sich der Historiker aber auch nach wie vor wissenschaftlich. Er hielt Vorträge und schrieb zahlreiche Fachbücher, darunter historische Werke, aber auch zeitkritische Schriften. "Aufgang Europas" (1949), "Europäische Geistesgeschichte" (1953) oder "Europa - Mutter der Revolutionen" (1964) zählen zu seinen wichtigsten Werken. Heers Bücher wurden auch in zahlreiche Sprachen, darunter Englisch, Französisch, Spanisch und Neuhebräisch, übertragen.

Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit als außerordentlicher Professor an der Universität Wien wurde er durch seine Fachbücher über christlich-abendländische Geistesgeschichte einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Unter dem Pseudonym Hermann Gohde veröffentlichte er den Roman "Der achte Tag".

1949 wurde Heer der Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften zuerkannt. Als Würdigung für seine Beiträge zum christlich-jüdischen Dialog zeichnete ihn der Koordinationsrat der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit 1968 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille aus. 1972 erhielt Heer den Großen Österreichischen Staatspreis verliehen. (APA)