Eher versteckt findet sich im Direktiven-Entwurf der EU-Kommission zu den Handy-Roaming-Gebühren ein Prinzip, das die Branche zumindest ebenso treffen wird wie die Abschaffung der hohen Gesprächsgebühren im Ausland: Das Herkunftslandprinzip. Spätestens ab Sommer 2007 soll jeder Bürger der EU im EU-Ausland nur noch die Gebühren bezahlen, die er zu Hause im Heimnetz bezahlt.

Um das gleiche Geld telefonieren wie zu Hause

Ein Tscheche, Portugiese oder Pole mit einem billigen Handyvertrag aus seinem Heimatland kann dann in Österreich um das gleiche Geld telefonieren wie zu Hause – also oft billiger als ein Österreicher. Zahlt ein Portugiese für ein Inlandsgespräch in Lissabon beispielsweise nur sechs Cent, muss er auch in Österreich um dieses Geld innerhalb Österreichs telefonieren können, auch wenn das gleiche Gespräch einen Österreicher günstigenfalls neun Cent kosten würde.

Der österreichische Betreiber, über dessen Netz telefoniert wird, darf dem Vertragspartner aus dem Ausland dann das verrechnen, was er auch einem inländischen Partner verrechnen darf (die Zusammenschaltungsgebühr, in unserem theoretischen Beispiel neun Cent). Einen etwaigen Verlust aus diesem Geschäft (der portugiesische Betreiber bekommt von seinem Kunden nur sechs Cent, muss an den österreichischen Netzbetreiber aber landesübliche neun Cent zahlen) trägt der portugiesische Betreiber.

Betreiber-Wechsel

Kunden, die durch die heimischen Betreiber durch höhere Kosten dauerhaft benachteiligt würden, könnten dann ja zu einem Betreiber in einem anderen EU-Land wechseln.

Ein Österreicher könnte demnach unter Umständen mit einem spanischen oder finnischen Vertrag in Österreich billiger telefonieren als mit einem österreichischen, ein Deutscher mit einer österreichischen Sim-Karte in Deutschland billiger als mit deutschen Konkurrenten. Zwar werden die Betreiber Kunden aus dem Ausland, die ihnen voraussichtlich nur Verluste bringen, nicht gerne akzeptieren, könnte aber via Gericht (ähnlich wie die Autohersteller) gezwungen werden, die Produkte allen EU-Bürgern zugänglich zu machen. Ergebnis: Die billigsten Inlandstarife würden vermutlich bald steigen.

Zehn Milliarden pro Jahr

Unter dem Strich soll, wie bereits berichtet, ein Handygespräch von Wien nach Brüssel ab Sommer 2007 nach dem Firektiven-Entwurf nicht mehr kosten als ein Gespräch von A1 zu T-Mobile oder One innerhalb Österreichs: Also je nach Tarif etwa zehn bis zwanzig Cent pro Minute statt bisher oft mehrere Euro.

Insgesamt betragen die verrechneten Roaming-Gebühren derzeit pro Jahr in der EU rund zehn Milliarden Euro, sagte der Sprecher der Kommissarin. Untersuchungen der Kommission hätten ergeben, dass 100 Euro kassierten Roaming-Gebühren nur vier Euro Kosten zugrunde lägen und 94 Euro Gewinn wären.

Heimische Netzbetreiber besorgt

Erwartungsgemäß besorgt zeigten sich die heimischen Netzbetreiber anlässlich dieser Pläne. Investitionen und Arbeitsplätze wären durch die Pläne der EU gefährdet. (Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD Printausgabe, 29. März 2006)