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Mit nur spärlicher optischer Kulinarik bedient Herbert Murauers Ausstattung den Besucher von Mozarts "La clemenza di Tito", die am Sonntag im Theater an der Wien Premiere hatte.

Foto: APA/Aumüller
...Einzig Elina Garanca triumphierte als Sextus.


Wien – Die Fortune des frisch eröffneten dritten Operntheaters, das der Bundeshauptstadt in Gestalt des Theaters an der Wien zu Jahresbeginn zugefallen ist, hält sich in Grenzen. Dass diese so eng gesteckt sind, liegt vor allem am für dieses Jahr ausgerufenen ebenso rigorosen wie ridikülen Mozart-Gebot, das für heuer verbindlich ist.

Nach einem verunglückten konzertanten Start hat das neue alte Haus von der Staatsoper zunächst einen nicht sonderlich aufregenden Idomeneo eingelegt bekommen, dem Sonntag eine Koproduktion mit der Frankfurter Oper folgte. Es handelt sich um La clemenza di Tito, was soviel bedeutet wie "Die Milde des Titus".

All die Milde, die der Titelheld im Verlauf des Werkes gegenüber seinen Gegnern walten lässt, war für den Großteil der Premierenbesucher allerdings von höchst spärlicher Vorbildwirkung. Nach Ende der Vorstellung wurde diesmal nicht nur – wie üblich – das Regieteam ausgebuht, sondern – und das kommt beinahe einer Uraufführung gleich – auch der Dirigent.

Um aber zunächst vom erfreulichsten Aspekt dieses Abends zu berichten: Elina Garanca ist ein Sextus, dessentwegen es sich lohnt, manches Ungemach, die diese Vorstellung (von den schon oft beklagten eng gefädelten Sitzreihen bis zum ziemlich ungepflegt ruppigen Sound der Symphoniker) sonst bereiten mag, – fast möchte man sagen: – unbedingt auf sich zu nehmen.

Wer erlebt, wie sich in Garancas Fall Stimmschönheit, technische Bravour und aus dem Unbewussten schöpfende instinktsichere Gestaltungskraft zu einem einsamen, alles und alle überragenden Klangtheater von unentrinnbarer Intensität vereinen, beginnt man das ganze Ausmaß des in der Kunstwelt nun einmal gnadenlos herrschenden Unrechts zu begreifen.

Klangpsychogramme

Alle übrigen geben schließlich doch auch ihr Bestes. Und die fast 50 Komponisten, die diese Textvorlage von Pietro Metastasio vor und nach Mozart vertont haben, haben doch auch ihr Bestes gegeben. Doch solch sensible Klangpsychogramme, wie sie Mozart in dieser Folge von stimmungsmäßig einander ergänzenden Rezitativen und Arien geglückt sind, hat keiner geschaffen.

Und Elina Garanca hat sie als einzige dechiffriert. Als Klangspuren der Hörigkeit gegenüber Vitellia, die scharf auf den Kaiser Titus ist und, als dieser eine andere zu ehelichen gedenkt, Sextus zum Anstifter eines gegen diesen gerichteten Mordkomplotts instrumentalisiert.

Das alles ereignet sich jenseits von Christof Loys anfänglich beinah aggressiv fader, gegen Schluss hin aber zunehmend an Kontur gewinnender Inszenierung. Sie versucht teilweise erfolgreich, die Unterwanderung der Staatsräson durch private Emotionen des Kaisers ins Optische zu übertragen.

Gegen die Staatsräson

Entgegen aller Staatsräson schaut Kaiser Titus immer durch die Finger. Er lässt sich vom Volk davon abhalten, eine jüdische Prinzessin zu heiraten. Und er weigert sich, Sextus wegen des Attentats auf ihn töten zu lassen, ebenso, wie er Vitellia verzeiht, als sie sich als Anstifterin zu diesem Komplott bekennt.

Loy lässt die einzelnen Phasen dieses auf den ersten Blick verwirrenden Plots immer stärker zu einem gekonnt bewegten und gegliederten Reigen verfließen, der trotz mancher, wohl auch von Herbert Murauers aus Bretterwänden bestehender Ausstattung verursachter Gemeinplätze zunehmend an Stimmungsdichte gewinnt.

Leider findet die szenische Steigerung im musikalischen Verlauf der Aufführung keine Entsprechung. Trotz des von Erwin Ortner makellos einstudierten Arnold Schönberg Chors lärmen die Symphoniker unter Paolo Carignanis im Wortsinn hemdsärmeliger und nicht sonderlich um Differenzierung bemühter Leitung gleich bleibend uninteressant im Orchestergraben.

Über einem so unwirtlichen instrumentalen Fundament erhoben sich in Mehrzahl auch nur wenig üppige vokale Konturen. Kurt Streits angestrengt und gepresst klingender Tenor schien mit der Titelpartie bis zur Ungenauigkeit überfordert.

Da hatte Silvana Dussmann als zu einer Art von Powertussi umfunktionierte Vitellia ihren – fast möchte man angesichts dieses rüden Orchestersounds sagen – zum Glück recht schrillen Sopran technisch schon besser im Griff.

Mit seriöser Unauffälligkeit wurde das Ensemble durch Jenny Carlstedt als Freund des Sextus, Annius, Britta Stallmeister als dessen Freundin und Simon Bailey als Präfekt der Prätorianer ergänzt. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.3.2006)