Wien - Die umstrittene Bereitstellung des ÖGB-Vermögens für den Milliardenverlust der BAWAG bereitet auch österreichischen Wirtschaftsprüfern Kopfzerbrechen. Die heutige Ausgabe der Tageszeitung "Die Presse" mutmaßt, die Haftung durch den ÖGB-Streikfonds könnte ein laut internationalen Rechnungslegungsvorschriften unzulässiges "In-Sich-Geschäft" darstellen, weil der Streikfonds im Wesentlichen aus BAWAG-Aktien bestehe.

Etwas rechtlich Anstößiges kann Karl Bruckner, geschäftsführender Gesellschafter des Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmens BDO Auxilia darin nicht erkennen. "Ich sehe darin nichts Unerlaubtes", sagte Bruckner. Bisher fehlten noch die Details, wie die Haftungsübernahme des ÖGB konkret funktioniert habe. "Es liegt zwar einiges am Tisch, aber nicht so, dass ich es beurteilen kann", sagte Bruckner. Möglicherweise sei das Vermögen des ÖGB-Streikfonds so groß, dass dieser auch ohne den darin enthaltenen BAWAG-Aktien die Bonität der Bank sicherstellen könne.

Durchaus üblich

Prinzipiell sei es durchaus üblich, dass ein Gläubiger - in diesem Fall der ÖGB - die Haftung übernehme. "Wenn im Vermögen des Gewerkschaftsbundes Aktien der BAWAG drinnen sind, wird das Vermögen halt weniger wert", so Bruckner. Das sei aber eine rechtlich zulässige Vorgangsweise. Falls der ÖBB sein Vermögen für Schulden der Tochtergesellschaft BAWAG verpfändet hat, stelle das noch kein In-Sich-Geschäft dar.

Bilanz-Frage

Spannender sei allerdings die Frage, wie die BAWAG die Verluste aus den Karibik-Geschäften in der Bilanz verbergen konnte. "Das funktioniert nur so, dass der ÖGB anbietet, wertlos gewordene Anteile und Anleihen zum seinerzeitigen Wert zurückzukaufen. Dann kann die BAWAG sagen, dass sie die Anteile nicht als Totalverlust abschreiben muss", erklärte Bruckner. Er kann sich vorstellen, dass der ÖGB jährlich seine Haftungszusage reduziert hat.

Rücktrittsgarantie

Dabei könnte etwa der ÖGB im ersten Jahr eine Rückkaufsgarantie über 1 Mrd. Euro abgegeben haben, im darauf folgenden Jahr waren es dann nur mehr 800 Mio. Euro. Mit dieser Konstruktion hätte die BAWAG die angehäuften Verluste nicht im ersten Jahr voll abschreiben müssen, sondern auf mehrere Jahre verteilen können. Aus Sicht des Wirtschaftsprüfers sei eine solche Vorgangsweise zulässig, sagte Bruckner. Denn für die Wirtschaftsprüfung sei nur maßgeblich, ob die Verluste zu einem bestimmten Wert übernommen werden.

Laut Bruckner sei allerdings noch unklar, ob die Vorgangsweise von ÖGB und BAWAG mit den internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS konform sei. (APA)