"Rassismus wird in Österreich immer tabuloser und aggressiver." So lautet die Bilanz des Wiener Antirassismus-Verein Zara, der am Freitag seinen "Rassismus-Report 2005" präsentiert hat. Die Zahl der gemeldeten Übergriffe – Diskriminierungen, Beschimpfungen und vor allem tätliche Angriffe – hat sich gegenüber dem Vorjahr wieder stark erhöht. Mit 1.105 dokumentierten Fällen hält das Jahr 2005 einen traurigen "Rassismus-Rekord".

"Die stetig steigende Zahl der Meldungen bei ZARA zeigt aber auch, dass sich das Bewusstsein gegenüber Rassismus verändert hat", betonte Zara-Obmann Dieter Schindlauer. Immer mehr Menschen würden sich zur Wehr setzen und ihr Recht auf Nicht-Diskriminierung einfordern. Überproportional betroffen waren auch im Jahr 2005 Personen mit schwarzer Hautfarbe – wobei sich dieses Phänomen durch alle sozialen Schichten zog, betonte Hikmet Kayahan, Leiter der Beratungsstelle.

Immer weniger Unrechtsbewusstsein

Auch ein bestimmtes Täterprofil lasse sich nicht festmachen: "Unsere Dokumentation zeigt, dass das die Akademikerin aus Döbling genauso betrifft wie den Arbeiter aus Floridsdorf", so Kayahan. Eindeutig sei allerdings, dass Rassisten immer tabuloser agieren und die tätlichen Übergriffe dramatisch zunehmen: "Dass einer Muslimin an einer Ampel das Kopftuch heruntergerissen wird, war vor fünf Jahren noch kaum denkbar – heute ist es beinahe Alltag."

"Es gibt immer weniger Unrechtsbewusstsein bei rassistischen Übergriffen", weiß auch Xiane Kangela, Chefredakteurin des Rassismus-Reports. Rassisten würden sich heute deutlicher zu ihrer Einstellung bekennen und weniger anonym agieren. Ein Zusammenhang etwa mit der Wahlkampfwerbung der Wiener FPÖ sei nicht auszuschließen: "Viele denken sich: `Wenn man das plakatieren kann, kann man es im Beisl ums Eck erst recht sagen`", erklärte Schindlauer.

Spitze des Eisbergs

Hilfe suchten vor allem Frauen, die mit 45 Prozent den Hauptanteil der Klienten stellten. 36 Prozent der Fälle waren Männer und 18 Prozent wurden anonym gemeldet. Im Durchschnitt gehen bei ZARA täglich drei Rassismus-Meldungen ein – doch dies sei nur "die Spitze des Eisbergs", betonte Kayahan.

Kritik übten die ZARA-Mitarbeiter an der Anti-Rassismus-Arbeit von Seiten des Bundes. Das bestehende Gleichbehandlungsgesetz würde den Betroffenen keine ausreichende Gerechtigkeit bieten, da der Ausgang des Verfahrens ungewiss und das Prozesskostenrisiko von den Betroffenen alleine zu tragen sei, so Schindlauer. Den Rechtsweg zu beschreiten, sei also noch immer ein risikoreicher und mutiger Weg.

Kampf ums Überleben

Der Rassismus-Report, der heuer bereits zum sechsten Mal erschienen ist, ist die einzige qualitative Datenquelle über Struktur und Ausmaß von Rassismus in Österreich, sagte Kangela. Und trotz dieser Arbeit, die auf reges Interesse bei Bevölkerung und Medien stößt, kämpft ZARA Jahr für Jahr ums Überleben. Die Finanzen werden von der Zivilgesellschaft (zu 65 Prozent) und von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung beteiligt sich mit einem Druckkostenbeitrag in der Höhe von 4.500 Euro. (APA)