Letztlich ist es eigenartig: Psychoanalyse hat viel mit Reden zu tun. Bekanntlich ist ihr Feld aber auch das Unbewusste, also ein "Ort", den man nicht unbedingt mit Sprache in Verbindung bringt. Hat die Analyse folglich ein fundamentales methodisches Problem? "Wir sind von Anfang an in Sprache gebadet, hat Jacques Lacan einmal gesagt. Und das bietet eine Erklärung dafür, weshalb die Psychoanalyse überhaupt funktioniert". Hermann Lang weiß, wovon er spricht. Nicht nur, weil der berühmte französische Analytiker einer seiner Lehrer war: Immer wieder hat er sich im Laufe der letzten 40 Jahre mit der Frage beschäftigt, wie denn "Die Sprache und das Unbewusste" (so der Titel seines ersten bekannten Buches) zusammengehen. Wobei ihn dieses Thema sowohl als Psychoanalytiker als auch als Mediziner und Philosophen in Atem gehalten hat. Denn der in Würzburg lebende Lang hat – was für eine seltene Kombination – tatsächlich alle drei Felder studiert wie praktiziert.

Um so besser kann er heute schildern, welchen fundamentalen Einfluß die Welt der Symbole und Worte auf unser Leben hat. "Sprachlich konstituierte Kommunikationsprozesse umfassen uns förmlich; ja, sie machen uns geradezu aus". Schon sehr früh bricht dabei die "Dimension des Symbolischen" in unser Leben ein, "nämlich wohl dann, wenn kleine Kinder von ihrer Puppe oder vom Zipfel ihrer Decke fasziniert zu werden beginnen". Laut Lang, der hier dem Briten Donald Winnicott folgt, ist der Deckenzipfel nämlich ein erstes "Ersatzobjekt" für die Mutter, die so zwar nicht als Mensch, aber als ansonsten präsentes Objekt substituiert wird. Was freilich einen ersten Symbolbildungsgestus darstellt.

Im Laufe der Zeit treten an die Stelle solch einfacher "Übergangsobjekte" immer komplexere Symbolisisierungsprozesse, in denen wir schließlich "heimisch" werden: Was dann in unserem Leben präsent ist, ist es in Form sprachlich-symbolischer Darstellungen oder Ideen, in die sogar unsere Triebe "eingeschrieben" sind. Denn auch diese nehmen wir letztlich nur in vermittelter Form wahr; als "rhetorische Figuren", die uns dann von einem "Drängen", "Getriebensein" oder "Wollen" sprechen lassen, was aber freilich schon weit mehr ausdrückt und sagt als nur eine Empfindung: Hier ist schon ein ganzer Diskurs und eine ganze Sprachtradition an der Arbeit, die sich gleichsam über den Trieb gelegt hat.

Das bedeutet aber auch, dass unser Unbewusstes keine undifferenzierte Impulsmasse oder dergleichen ist: Was wir als Unbewusstes bezeichnen sind für Lang vielmehr "früher in unserem Leben entstandene Diskurse", die nun wie ein Subtext in unseren Gesprächen mitlaufen und plötzlich an die Oberfläche brechen können. Was mitunter zu den hübschesten Versprechern führt und "z.B. jemanden, der davon erzählen möchte, wie 'familiär' ihn sein reicher Freund behandelt, 'familionär' sagen lässt". Das Unbewusste ist mithin wie eine Sprache strukturiert – und kann genau deshalb auch in der Psychoanalyse behandelt werden. Noch dazu einfach durch Reden.

---> Psychoanalyse als "Reparaturunternehmen"

Psychoanalyse wird aus diesem Blickwinkel zu einem "Reparaturunternehmen", dessen Aufgabe am Ende darin besteht, "die sprachlich konstituierten Kommunikationsprozesse wieder zu entstören", falls es zu einer Störung gekommen ist. Und letztere können ja heftig ausfallen; speziell dann, wenn der Symbolisierungsprozess als solcher betroffen ist. "Denn mit der Symbolisierungsleistung, die mit dem Deckenzipfel beginnt, beginnt ja auch eine Distanzierung vom Primärobjekt, das die Mutter darstellt". Sie ist dann eben nur mehr symbolisch anwesend und nicht mehr als geradezu mit einem selbst verschmolzenes "Objekt"; die "Unmittelbarkeit" ist verloren gegangen. Mit dem Eintritt in die Welt des Symbolischen kommt folglich auch ein Selbstwerdungsprozess in Gang, der uns jene selbständige Identität verschafft, die für Menschen typisch ist. Wird dieser "Eintritt ins Symbolische deshalb bereits anfänglich", also in der frühen Kindheit, gestört, kann das, so Lang, gravierende Folgen haben. Das Distanzverhältnis, das normalerweise zum Primärobjekt und schließlich zu allen Objekten der Welt entsteht, bleibt dann nämlich aus und der Betroffene sieht sich der Welt "in ganz unmittelbarer Weise ausgeliefert". Sie überflutet ihn geradezu und die Grenzen zwischen Ich und Umwelt verschwinden – eine Schizophrenie hat sich eingestellt.

So besehen ist unser Eintritt ins Symbolische ein Segen – wie er aber auch ein Fluch ist. "Weil er nämlich eine Art 'Kastration' bedeutet". Haben wir erst damit begonnen, an die Stelle der Objekte deren symbolische Repräsentanten zu setzen (was wir als Sprachwesen freilich dauernd tun), "lässt sich nie mehr ein unmittelbares, absolut befriedigendes Objekt erreichen". Es sei denn um den Preis schwerer psychischer Erkrankungen – oder als (narzisstisches) Imaginationsspiel, in dem man, was allen Liebenden nur zu vertraut ist, ein "Objekt" mit Illusionen geradezu überhäuft. Der Eintritt ins Symbolische macht uns folglich auch zu einem "Mängelwesen", das jedoch ein heftiges "Begehren entwickelt, eben genau diesen Mangel an unmittelbarer, nicht symbolisch vermittelter Nähe zu einem Objekt zu beheben". Was allerdings – wie Liebende wie Tristan und Isolde meist zu spät merken – nie gelingt und auch nicht gelingen kann: Solange wir in Sprachwelten lebende Wesen sind, muss das Begehren bestehen bleiben; uns "bleibt nur, uns mit dem Mangel abzufinden".

Schöner und einfacher als bei Hermann Lang kann man die Grundzüge Lacan'scher Psychoanalyse wohl nicht vermittelt bekommen. Was wohl auch damit zu tun hat, dass er Lacan gleichsam in der hermeneutischen Philosophie Hans-Georg Gadamers "gebadet" hat, was deutlich zur besseren Verständlichkeit des französischen Großanalytikers beigetragen hat. Und Lang als das ausweist, was er ist:

Ein wunderbarer Schwimm-Lehrer, wenn es um das Bad der Sprache und seine Untiefen geht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 3. 2006)