Wien - SPÖ und Grüne haben im Hauptausschuss des Nationalrats eine negative Halbzeitbilanz der österreichischen EU-Ratsvorsitzes gezogen. Es handle sich um eine "an Initiativen arme Ratspräsidentschaft", die sich nur "durchschlawinern" wolle, kritisierte SPÖ-Klubchef Josef Cap bei der Debatte zum bevorstehenden EU-Gipfel am Dienstag. Die Grüne Abgeordnete Ulrike Lunacek sprach von einem "Mangel an konkreten Vorschlägen" und "sehr viel Show".

Cap und Lunacek griffen mit ihren Wortmeldungen die jüngste Kritik des Vorsitzenden im finnischen Parlaments-Hauptausschuss, Jari Vilen, auf. Der konservative Politiker hatte bemängelt, der österreichische Vorsitz entwickle sich zu seiner Halbzeit eher zu einer Serie von herzeigbaren Veranstaltungen denn zu einer echten Entscheidungen bringenden Arbeitsphase. Dies sei eine "wachsende Herausforderung" für Finnland, das Anfang Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

Lunacek: Keine Vorschläge zur Verfassungskrise

Lunacek bemängelte, dass der Ratsvorsitz bisher noch keine Vorschläge zur Lösung der EU-Verfassungskrise gemacht habe. Dies müsste jetzt geschehen und nicht erst beim EU-Gipfel in Juni. Cap forderte die Bundesregierung auf, die Präsidentschaft für einen Vorstoß zur Revision des Euratom-Vertrags zu nützen und brachte auch einen entsprechenden SPÖ-Antrag ein. Man müsse nämlich der derzeit in Europa beginnenden "Renaissance der Atompolitik" etwas entgegen setzen.

Schüssel: Koordination nicht Diktat der 25

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) wies diese Vorwürfe bei der Aussprache mit den Parlamentariern sichtlich erregt zurück. "Unsere Aufgabe ist, die 25 zu koordinieren, nicht zu diktieren", betonte er. Als Präsidentschaft könne man lediglich "Impulse setzen und das tun wir auch". "Wir können aber nicht das österreichische Modell für sechs Monate zum europäischen Modell erklären", sagte er in offenkundiger Anspielung auf auch von Lunacek vorgebrachten Forderungen nach einer Anti-Atom-Politik auf EU-Ebene. Wenn die Opposition den österreichischen Ratsvorsitz als ambitionslos kritisiere, so würden die anderen EU-Staaten ihm genau das Gegenteil vorwerfen. Etwa, dass man bei der Lissabon-Agenda für mehr Wachstum und Beschäftigung "über schon beschlossene Ziele hinaus" gehe.

Plassnik: Bilanz von drei Monaten "vorzeigbar"

Als "vorzeigbar" bezeichnete auch Außenministerin Ursula Plassnik (V) die Bilanz der ersten drei Monate EU-Ratsvorsitz Österreichs. Sie wies darauf hin, dass man gleich zu Beginn mit internationalen Krisen wie dem Gas-Streit konfrontiert gewesen sei. Dass nun beim EU-Gipfel zum ersten Mal überhaupt auch über Energiepolitik diskutiert werde, zeige, "was in kurzer Zeit bewegt wurde".

Rückendeckung erhielten Schüssel und Plassnik von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen. ÖVP-Abgeordneter Werner Fasslabend sagte, Österreich sei es gelungen, "Schwerpunkte zu setzen, die durchkommen". Dies habe er bisher auf EU-Ebene immer vermisst, verwies der Ex-Nationalratspräsident auf die von der jetzigen Ratspräsidentschaft erreichten konkreten Zielvorgaben bei der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der EU.

FPÖ: Kritik aus Finnland "unangebracht"

Der freiheitliche Abgeordnete Reinhard Eugen Bösch sagte, die Kritik aus Finnland sei "unangebracht und ungerecht". Österreich werde bis zum Ende seiner Ratspräsidentschaft "noch einige Akzente setzen können", sagte er. BZÖ-Mandatar Markus Fauland bescheinigte dem Ratsvorsitz, "eine gute Figur" zu machen. Es sei richtig, dass man nicht "nach dem Motto Speed Kills die Verfassung durchpeitschen" wolle. (APA)