Prince Rogers Nelson (47) und seine neue Muse Támar beglücken uns auf "3121", dem neuen Album des Meisters, mit häuslicher Routine in Sachen Liebe zur Musik.

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...Inhaltlich krankt Prince 2006 vor allem an einem. Es ist die Altersroutine.


Wien - "Spread your wings, let's fly so high, like a bird over the hilltops, love is like the sky!" Man könnte jetzt feststellen, dass der Traum vom Fliegen als Synonym für spirituell wie hormonell bedingte Glückszustände schon viele Künstler beschäftigte. Auf diese immer knapp am Dichterolymp vorbeischrammende Spuren begibt sich jetzt auch Prince im Song Love aus dem neuen Album 3121. Nicht absichtlich. Plattheiten gehören im Pop zum täglichen Brot. Aber muss es derart tief sein?

Prince ist der 47-jährige Altersgenosse von Madonna und Michael Jackson. Und damit gilt er als einer der drei großen (überlebenden) Superstars des Pop, wie wir ihn aus dessen letzter großen Phase vor gut einem Vierteljahrhundert kennen. Als solcher tritt er nach selbst gewählten Jahren in der Schmach einer wohl auch dem eigenen überzogenen Ego geschuldeten Diaspora als "Slave", "Symbol" oder "Artist formerly known as Prince" heute ungeläutert und unbeirrt als ein Mann auf, den zu seinem eigenen Nachteil niemand mehr in seinem unmittelbaren Umfeld zu kritisieren wagt. Wenn der Berg kreißt, wird ein Mäusefurz zu einer Elefantenskulptur.

Wenn man noch dazu das mild größenwahnsinnige CD-Booklet von 3121 betrachtet, in dem man die mehr als großzügig in jedem Winkel seines Hollywood-Anwesens applizierten Insignien des Meisters auf Tisch- und Betttuch sowie auf dem Billardtisch findet, beschleicht einen spätestens nach dem ersten Hören der neuen Lieder die untrügliche Vermutung, dass hier möglicherweise etwas endgültig aus dem Ruder zu laufen droht.

König Ego

Prince kehrt nach der Vorstufe mit seinem starken Comeback Musicology aus 2004 mit großem Bahnhof an die Spitze medialer Wahrnehmung zurück. Immerhin erleben wir hier einen über zwölf Songs agierenden Künstler, der aus Gründen guten alten Kontrollwahns einmal mehr beinahe alle Instrumente selbst eingespielt hat. König im eigenen Land!

Das noch immer anhaltende Revival der frühen 80er-Jahre scheint Prince Rogers Nelson nach Jahren im Jammertal der obskuren Freiheit ohne Selbstbestimmung spätestens heuer jedenfalls sehr entgegenzukommen. Zumal die Werbemaschine punkto unterschiedlicher Attraktivitäten der Songs prächtig aus dem Vollen schöpfen kann.

Auf schmierigen Synthesizern und mit elektronischen Drums und Handclaps generierter Billig-Funk, der sämtliche stilistische Entwicklungen nach 1985 streng außer Acht lässt, allen voran die aktuelle Single Black Sweat oder der mit Orchestersamples und sattsam bekannten gitarristischen Soloexzessen voll gestellte Track The Word, kann hier für die Zielgruppe junger Käuferschichten stehen.

Diese lernt Prince möglicherweise nach der Zwangsbeglückung aus der elterlichen Plattensammlung erst heute schätzen. Für sie wird gerade der erstgenannte Titel Black Sweat in den Nachwehen einer als schwer angesagt wiederbelebten Zeit der frühen 80er-Jahre in Österreich auf dem jugendlichen Staatssender FM4 im Powerplay bemüht.

Das geht sich von den billigen Instant-Sounds eines durchdrehenden Laptop-Heimstudios auch prächtig mit Prince in Bezug auf junge elektronische Kollegen und Verehrer aus, die in den Nachwehen des harschen "Electro-Punk" gerade erste Ansätze von harmonischer Weiterbildung entdecken.

Wenn es allerdings um Abfuhr von Triebstau und diesbezüglich schmachtende Balladen geht, in denen sich der Meister gemeinsam mit neuer Muse Támar etwa in Beautiful, Loved And Blessed oder in Te Amo Corazón schwelgerisch mit anbaggerndem Saxofon und das Vorspiel einläutendem Glockenspiel ergeht, dann ist Prince nach wie vor am besten im älteren Format-und Hitradio aufgehoben.

Das Neue ist das Alte. Weite Teile von 3121 , man höre etwa den nur mehr halbgeilen Miami Vice -Midtempo-Rocker Lolita , liefern Kontinuität. Wenngleich der offene Kamin zur Befeuerung intimer Leidenschaften auf dem Bärenfell davor heute nur mehr auf Sparflamme glost. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.03.2006)