"Die letzten Tage des Tony Blair", heißt der Titel, und in normalen Zeiten würde er Kennern der Londoner Szene nur ein müdes Lächeln entlocken. Normalerweise hat Blair die Lacher sofort auf seiner Seite, wenn er gefragt wird, ob ihm die schlimmste Woche seiner Karriere blühe. "Klar, die schlimmste nach der schlimmsten, die ich letzte Woche hatte", ulkt er dann, so selbstsicher, wie es wohl nur ein Oxford-Absolvent kann.

Jetzt liegen die Dinge anders. Nicht nur, weil ein Nachrichtenmagazin dem britischen Premier einen vorgezogenen politischen Nachruf widmet. "Wenn er nicht sowieso schon ans Zurücktreten denkt, dann sollte er es jetzt tun", schreibt lakonisch scharf der Economist. Es könnte eng werden für Blair, diesmal wirklich, hat er doch eine handfeste Affäre am Hals.

Der Zankapfel ist Geld, sind 14 Millionen Pfund Sterling, umgerechnet 20,2 Millionen Euro. Die regierende Labour Party hat sie von betuchten Geschäftsleuten als Darlehen kassiert. Als Darlehen, weil man sie - anders als Spenden - nicht anzugeben braucht, sie später aber immer noch in Spenden umwandeln kann.

Praxis ist gang und gäbe

Die Praxis ist gang und gäbe, auch die Tories lassen sich von Gönnern hohe Beträge vorschießen, um Wahlkämpfe nicht mit schlecht kopierten Faltblättern aus dem "Samisdat" bestreiten zu müssen. Aus Steuergeldern werden britische Parteien nicht finanziert, zudem sinken die Mitgliedsbeiträge, so dass private Sponsoren immer wichtiger werden.

Wer Blair speziell zu schaffen macht, ist sein Schatzmeister. Der hat nämlich nicht die leiseste Ahnung von den 14 Millionen. Und Jack Dromey, korrekt, unauffällig, ganz der Typ Bankdirektor auf dem Land, gibt sich auch nicht die geringste Mühe, seine Wissenslücke zu übertünchen. Ergo sprießen die Spekulationen nur so ins Kraut. Schwarze Kassen? Schwarze Löcher? Das System Yassir Arafats an der Themse?

Vier der geheimnisvollen Geber kennt man inzwischen beim Namen, es sind ein Klinikbesitzer, ein Immobilienhai, ein Börsenmakler sowie ein Fabrikant, der sein Vermögen mit Curry in Gläsern gemacht hat. Dass die Sache ans Licht kam, liegt an dem Klinikbesitzer, einem gewissen Chai Patel. Der lieh Geld, weil er hoffte, als Lord ins Oberhaus einzuziehen. Den Segen Blairs hatte er schon, doch dann legte ein unabhängiger Ausschuss die Ernennung auf Eis. Nun rächt sich der glücklose Kandidat, indem er ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert: Wie man sich den Titel eines Lords kaufen kann. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.03.2006)