Illustration: STANDARD/Oliver Schopf
Krebs ist kompliziert: Er entsteht durch Veränderungen im Erbgut. Ausgelöst durch viele Faktoren. Verschiedene Gewebe sind betroffen. Und die Tumoren gliedern sich in zahllose Untertypen. In Österreich erkranken jährlich 35.000 Menschen, 20.000 sterben pro Jahr an Krebs. Dennoch fehlt es an geeigneten Modellen, an denen sich die Krankheit schrittweise studieren lässt. Der Bayer Richard Moriggl, Leiter des neuen Ludwig Boltzmann Instituts für Krebsforschung, hat sich für die kommenden sieben Jahre mit rund 20 Mitarbeitern und fünf Partnern der Suche nach einem solchen Modell verschrieben: mit der Medizinischen Universität Wien, dem Institut für Molekulare Pathologie, der St. Anna Kinderkrebsforschung, Cell Danube und Tissue Gnostics. "Moderne Medizin ist ohne Maus nicht denkbar", betont Moriggl (Jahrgang 1969) und schwärmt von seinem Modellorganismus: "Das Genom des Nagers ist entschlüsselt, und wir teilen 99 Prozent der Gene, die Größe ist ideal, die Generationszeit mit zwei Monaten schnell, die Lebensspanne mit bis zu zwei Jahren überschaubar und das Handling ungefährlich". Weiterer Vorteil: Weltweit wurden bereits mehr als viertausend Mausstämme mit individueller genetischer Mutation gezüchtet. So fangen die Wissenschafter mit ihren von "sehr viel Versuch und Irrtum" begleiteten Forschungsreihen nicht ganz am Anfang an.

Ihr Ziel: Mäuse mit mehreren - also multigenetischen - Veränderungen zu züchten, die Mutationen im Genom farbig zu markieren, in einem bestimmten Zelltyp zu einem festgelegten Zeitpunkt zu aktivieren und so zu verfolgen, welche Gene zusammenwirken und wie sie aktiviert werden müssen, um Krebs auszulösen. Der Fokus liegt vorerst auf Leukämie und Knochenkrebs, die vor allem bei Kindern auftreten, sowie Leber- und Prostatatumoren. Der zweifache Vater, der sich in seiner Freizeit bei Konzerten, beim Klettern oder Kochen ausspannt, sieht seine Aufgabe darin, "die Fahne hochzuhalten, denn bei unserem Vorhaben wird es manchmal Erfolge und oft Rückschläge geben".

"Schlüsselerlebnis" für seine Studienwahl war ein "Buch über Molekularbiologie, von dem ich mit 15 wenig kapiert habe. Ich war erstaunt, dass schon damals so viel entdeckt worden war, das ich nicht verstand." Für den Forschungserfolg spielt für ihn neben guten Leuten Glück eine Rolle. Fleiß sowieso. Das neue Institut für Krebsforschung bietet auch Nachwuchsforschern attraktive Stellen: "Unsere Gruppenleiter sind relativ jung. Ihnen hier eine Chance zu bieten ist billiger, als sie später aus dem Ausland zurückzuholen."

Die "Mäuse" kommen von der Boltzmann Gesellschaft, dem Wissenschaftsfonds FWF und den Partnern. Motivation für die Mühe bietet die Krankheit genug: "Jeder kennt jemanden, der Krebs hat. Er trifft Kinder, jüngere und ältere Leute. Davon kann und will ich mich nicht abgrenzen." (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19. 3. 2006)