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Foto: APA/Vera Reiter

Wien – Die ehemalige Leiterin des Salzburger Rupertinums und des Museums der Moderne am Mönchsberg, Agnes Husslein-Arco, wird künftig die Österreichische Galerie Belvedere leiten. Husslein bestätigte ihre Berufung, die Bildungsministerin Elisabeth Gehrer heute Nachmittag bekannt geben wird, gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Husslein hatte als Favoritin für die Nachfolge von Gerbert Frodl, der seit 1992 Direktor ist und Ende 2006 in Pension geht, gegolten. Sie wird die erste Frau sein, die die Österreichische Galerie leitet.

Insgesamt 13 Personen hatten sich nach der Ausschreibung der Stelle beworben. Zum letzten Hearing war auch Peter Pakesch, Leiter des steirischen Landesmuseums Joanneum, geladen gewesen. Die Sammlung der Österreichischen Galerie Belvedere reicht vom Mittelalter bis zur zeitgenössischen Moderne. 2004 konnte das Museum 365.823 Besucher verzeichnen.

Erste Reaktionen

"Ich sehe es als große Herausforderung", sagte Husslein gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. "Aber diese Herausforderung nehme ich mit großer Freude an." Und weiter: "Es muss das Kompetenzzentrum für österreichische Kunst national und international werden, und es ist natürlich eine große Herausforderung für mich, neue Sponsoren zu finden und vielleicht auch die Besucheranzahl zu erhöhen." – "Ich freue mich", meinte auch der derzeitige Museumsleiter Gerbert Frodl in einer ersten kurzen Reaktion: "Ich bin glücklich."

Auch Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder begrüßt die Bestellung von Agnes Husslein als neue Leiterin der Österreichischen Galerie Belvedere. "Ich halte die Designierung für eine hervorragende Entscheidung und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihr", sagte Schröder.

"Wir kennen uns seit vielen Jahren und sind befreundet", so Schröder. "Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit ihr intensiv und sehr konstruktiv sein wird." Agnes Husslein habe in Salzburg bewiesen, dass sie "eine ausgezeichnete Museums Direktorin" sei. Schon im Vorfeld hatte Schröder Husslein als "hoch seriöse" Bewerberin und "hervorragende Kennerin der Kunstgeschichte Österreichs" bezeichnet.

Frodl: Übergabe mit ruhigem Gewissen

Der derzeitige Direktor Gerbert Frodl ist sicher, "dass mit Husslein eine Person gefunden ist, der man das Belvedere mit ruhigem Gewissen anvertrauen kann. Sie wird in den nächsten Monaten sehr viel über's Belvedere lernen müssen. Die Belegschaft des Belvedere und ich selbst werden ihr zur Hand gehen, wenn sie das möchte."

Frodl meinte weiters, es gebe "keine Animosität im Haus oder Angst vor 'der Neuen'. Auch die Belegschaft des Belvedere ist pragmatisch. Es sind lauter Fachleute, die Lust haben, eine ordentliche Arbeit zu machen."

Seipel freut sich

Der Direktor des Kunsthistorischen Museums (KHM), Wilfried Seipel, freute sich in einer ersten Reaktion "auf eine gute Zusammenarbeit" mit seiner neuen Wiener Kollegin Agnes Husslein. Er sei allerdings entgegen Medienberichten "nicht der Königsmacher" gewesen, betonte Seipel, der in der Findungskommission für die Direktion der Österreichischen Galerie vertreten war: "Die sechsköpfige internationale Kommission hat vielmehr eine einstimmige Entscheidung getroffen. Es gab mit Sicherheit keine Einflussnahme oder Parteilichkeiten."

Es habe allerdings nach der ersten Hearing-Runde, zu der sechs der insgesamt 13 (durchwegs österreichischen) Bewerber geladen waren, lange Diskussionen gegeben, berichtete Seipel, weshalb zu einem "zweiten Stechen" geladen wurde. Die Findungskommission habe schließlich einen Dreiervorschlag erarbeitet. Drittgereihter nach Husslein und Joanneum-Direktor Peter Pakesch war der Vorsitzende des Kunsthistoriker-Verbandes, Peter Bogner.

Zur mehrfach geäußerten Kritik, dass Seipel als Mitglied der Findungskommission auch über seine künftigen Konkurrenten entscheide, meinte Seipel: "Ich habe das Verhältnis zu meinen Museumskollegen nie als Konkurrenz empfunden. Es geht darum, gemeinsam die Museumslandschaft zu befruchten. Das Kunsthistorische Museum und die Österreichische Galerie haben auch ganz andere Sammlungs-Schwerpunkte und Aufgabenbereiche. Ich war im übrigen auch in der Findungskommission für die Bestellung von Mumok-Direktor Edelbert Köb, ohne dass sich darüber jemand aufgeregt hätte."

---> Kritik am Auswahl-Modus

Kritik von Assmann

Kritik am Bestellungs-Prozedere für die Direktion übt der Leiter der Oberösterreichischen Landesmuseen, Peter Assmann, der sich ebenfalls beworben hatte und zu einem Hearing geladen worden war. Bundesministerin Elisabeth Gehrer habe das Recht, einen Kandidaten zu favorisieren, so Assmann, "Aber dann soll sie ehrlich dazu stehen und keine Pro-Forma-Ausschreibung machen. Das ist beschämend für alle Beteiligten."

Agnes Husslein und Peter Pakesch seien "parteipolitisch klar zuordenbar", während er selber weder ÖVP- noch SPÖ-Mitglied sei, so Assmann. Er habe sich beworben, nachdem er unter anderem von der Österreichischen Galerie, wo er eine Anton Lutz-Ausstellung kuratiert habe, dazu eingeladen worden sei, und hätte alle Ausschreibungskriterien erfüllt.

"Nicht sehr professionell"

Er habe aber bis heute keine Absage oder Stellungnahme aus dem Ministerium erhalten, obwohl er brieflich darum ersucht habe. "Ich erfahre alles aus den Medien", so Assmann. Diese Vorgangsweise sei "nicht sehr professionell. Ich denke, jeder Bewerber hat das Recht zu erfahren, warum er abgelehnt wurde. Das Land Oberösterreich bietet sogar Rückmeldungs-Gespräche an."

Assmann kritisiert auch die Zulassung von Nicht-Kunsthistorikern als Bewerber: "Es geht immerhin um die Österreichische Galerie, das ist nicht irgendein Museum, sondern die österreichische Nationalgalerie. Schwerpunkt der Museumsarbeit muss eine wissenschaftliche Basis sein. Ich halte es nicht für gut, zu sagen, das Wissenschaftliche kaufen wir zu. Es geht auch darum, einen wissenschaftlichen Diskurs nach außen zu tragen."

Mitbewerber Pakesch wünscht alles Gute

Joanneum-Direktor Peter Pakesch "kann Agnes Husslein und dem Belvedere nur alles Gute wünschen". Das Bestellungsverfahren sei "natürlich fair und korrekt" gewesen, sagte Pakesch, den die Findungskommission für die Direktion der Österreichischen Galerie als Zweitgereihten vorgeschlagen hatte. Es seien eben verschiedene Ideen zur Wahl gestanden. "Husslein und ich stehen für unterschiedliche Dinge."

SPÖ und Grüne: "Äußerst dubiose Ausschreibung"

Einen "schweren Start" für Agnes Husslein sehen SPÖ und Grüne. Der Bestellung Hussleins durch die zuständige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer sei eine "äußerst dubiose Ausschreibung" vorausgegangen, waren sich die Oppositionsparteien am Freitag einig. SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen meinte, Gehrer habe "nur Objektivität vorgetäuscht", Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl sprach von einem "monatelang inszenierten Schauspiel".

Die Grünen fordern in einer Aussendung für die Zukunft einen Verzicht auf die "willfährigen Kuratorien der Museen" bei der Ausschreibung. Diese seien "nichts als der verlängerte Arm der Regierung und deren demokratische Ausrede." Zinggl sprach von einer "zynischen Respektlosigkeit vor demokratischen Gremien". Die SPÖ stimmte ein: "Parteipolitik und Postenschacher" werde bei Gehrer groß geschrieben. Der Ruf der neuen Leitung der Österreichischen Galerie sei bereits vor dem Antritt schwer beschädigt. Das Vertrauen in Gehrer sinke immer mehr.

ÖVP weist Kritik zurück

Die ÖVP hat Kritik an der Bestellung Hussleins zurückgewiesen. Kultursprecherin Andrea Wolfmayr sprach am Freitag von "aberwitzigen Unterstellungen" in Bezug auf die Oppositionsvorwürfe der "undemokratischen Ausschreibung" des Postens. Die Prüfung aller Bewerbungen und die Auswahl der Kandidaten sei von einer unabhängigen Bestellungskommission vorgenommen worden, hieß es in einer Aussendung.

Zu der Kommission gehörten laut Wolfmayr "anerkannte Museumsexperten" wie der Leiter des Zürcher Kunsthauses und die Leiterin des Museums Schnütgen in Köln. Die Expertise dieser international anerkannten Fachleute als "inszeniertes Schauspiel" und "abgekartetes Spiel" zu bezeichnen, stelle die "kulturpolitische Inkompetenz" von SPÖ und Grünen unter Beweis, so Wolfmayr.

Gehrer: "Starke Frau"

Mit Husslein sei eine "starke Frau für eine wichtige Position gefunden", sagte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer am Freitagnachmittag bei der offiziellen Präsentation Hussleins. Diese solle die "positive Entwicklung der Österreichischen Galerie sichern, festigen und weiter entwickeln." Die Bestellungsurkunde sei heute unterschrieben worden, die Vertragsdauer sei jedoch noch nicht ausverhandelt, meinte Gehrer. Jedoch seien Fünfjahresverträge üblich.

Über die Frage nach einer gleichwertigen Geschäftsführung, die Husslein zur Seite stehen soll, meinte Gehrer: "Das Belvedere hat einen ausgezeichneten Prokuristen für Finanzfragen. Frau Husslein wird sicher interessiert sein, einen gut geschulten Finanzfachmann zu übernehmen." Kritik an der Ausschreibung wies Gehrer erneut zurück. "Wer Zweifel hegt, dass Europa weiß, dass das Belvedere ausgeschrieben ist, täuscht sich", so Gehrer unter Verweis auf die Veröffentlichung der Ausschreibung im Internet. Husslein meinte, es sei wichtig, dass "ich mich selber in den Spiegel schauen kann".

Kritik an Personalpolitik als "Mediengebrabbel"

Die Kritik an ihrer Personalpolitik, die sie in Salzburg von Anfang an begleitet hat, hält Husslein für "Mediengebrabbel". Dass es da anfangs Probleme gegeben habe, "stimmt nicht. Es sind nicht gleich die richtigen Leute gefunden worden", sagte sie. "Aber glauben Sie, ich habe ein ganzes Haus (Museum am Mönchsberg, Anm.) alleine gebaut?" Die Mitarbeiter hätten sehr gerne mit ihr gearbeitet. Auf die Mitarbeiter in der Österreichischen Galerie, von denen sie einige bereits kenne, "freue ich mich sehr. Da sind viele Experten dabei. Das wird sicher super."

Wie sie mit den sehr konkreten Plänen für das 20er Haus umgehen wird – spätestens 2008 soll das von Adolf Krischanitz umgebaute Haus mit Kunst nach 1918 bespielt werden -, "muss ich mir anschauen. Das 20er Haus ist mir sehr wichtig", so Husslein

---> Husslein sorgte mehrfach für Aufsehen Mehrfaches Aufsehen

Agnes Husslein-Arco (51) zählt zu den schillerndsten, aber auch umstrittensten Persönlichkeiten der österreichischen Museumsszene. In ihrer zwei Jahrzehnte währenden Zeit als Geschäftsführerin von Sotheby's Österreich war sie mindestens ebenso häufig wie ihre potenziellen Kunden auf Society-Events und in Adabei-Spalten zu finden. Als Chefin des Salzburger Rupertinums und des Museums der Moderne am Mönchsberg sorgte sie mit ihrer Personalpolitik für Aufregung. Ab 2007 übernimmt sie die Direktion der Österreichischen Galerie Belvedere.

Ihre Qualifikation für die Nachfolge von Gerbert Frodl ist unbestritten: Sie verfügt nicht nur über Leitungserfahrung, sondern auch über ein abgeschlossenes Kunstgeschichtsstudium. Und auch glattes Parkett ist Husslein gewohnt, nicht nur aus Salzburg: Denn erste öffentliche Aufmerksamkeit erregte Husslein als 15-jährige Staatsmeisterin im Eistanzen.

Werdegang

Agnes Husslein wurde am 22. Mai 1954 als Tochter von Karl Heinrich und Felicitas Arco geboren. Sie ist eine Nichte des Malers Herbert Boeckl. Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien, das sie 1979 mit einer Dissertation über Boeckls Engelskapelle in Seckau abschloss, studierte sie 1977 kurzfristig an der Sorbonne und der École du Louvre in Paris. 1996 bis 2000 war sie Vorstandsmitglied der Wiener Secession, 1996 bis 1998 Vizepräsidentin des Kunstvereins Kärnten. Von 1981 bis 2000 war sie die erste Geschäftsführerin von Sotheby's Österreich, elf Jahre fungierte sie daneben auch als Geschäftsführerin von Sotheby's Prag und Sotheby's Budapest. Zehn Jahre lang war sie auch Senior Director für Sotheby's Europa.

Ihr Abgang von Sotheby's soll auch von Unstimmigkeiten begleitet gewesen sein. So soll das Headquarter des internationalen Auktionshauses weder mit Hussleins massiver Medien-Präsenz noch mit jenen politischen Diskussionen glücklich gewesen sein, die rund um eine von Husslein ausgerichtete private Diskussionsveranstaltung mit FPÖ-Politikern entstanden. Politische Nähe besteht dabei eher zur ÖVP: Bei den Nationalratswahlen kandidierte sie 1994 auf der ÖVP-Bundesliste, die Regierung sandte sie 1995 auf einem ÖVP-Ticket in das ORF-Kuratorium.

Agnes Husslein verfügt jedoch auch über exzellente internationale Kontakte. 1990 bis 1998 war sie Director of European Development des Guggenheim Museums New York und 1990 bis 2000 Organisatorin der Guggenheim Association Salzburg und des Austrian Guggenheim Advisory Boards. Sie ist Member des World Wide Teams for Contemporary, Modern and Impressionist Art.

Streitthema Personalpolitik

Am 1. Jänner 2001 übernahm Husslein die Direktion des Salzburger Rupertinums und des Museums der Moderne am Mönchsberg, das 2004 eröffnete. Bereits ihre Bestellung sorgte für politische Debatten. In der Folge sorgte vor allem ihre Personalpolitik immer wieder für Aufregung. Mit Beschwerden über "unzumutbare Arbeitsbedingungen" und einigen Abgängen von Mitarbeitern befassten sich auch Landespolitik und Arbeiterkammer. Sie selbst zeigte sich überzeugt, "ein berühmt gutes Händchen für Mitarbeiter" zu haben: "Aber als ich nach Salzburg gekommen bin, hat die Struktur nicht gepasst, die Sammlung war nicht katalogisiert, und es hat vorne und hinten an qualifiziertem, motiviertem Personal gefehlt."

Im Dezember 2004 beantragte schließlich die FPÖ eine Prüfung durch den Landesrechnungshof. Im Jänner 2005 gab Husslein bekannt, eine Verlängerung ihres Ende 2005 auslaufenden Vertrages nicht anzustreben. "Ich will nach Wien zurück, dort ist mein Lebensmittelpunkt", sagte sie damals. Husslein ist verheiratet mit dem Gynäkologen Peter Husslein, seit 1996 Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Wien, und hat zwei Kinder, Heinrich und Katharina.

"Affäre" um eine Skulptur

Auf künstlerischem Gebiet erregte Husslein, die als Kuratorin u.a. die Kärntner Großausstellung "Eremiten – Kosmopoliten" konzipierte, neben der gelungenen Eröffnung des Museums der Moderne am Mönchsberg mit dem im öffentlichen Raum aufgestellten "Arc de Triomphe", einer Figur der Künstlergruppe Gelatin, die einen Mann mit erigiertem Glied als Springbrunnen darstellte, im Jahr 2003 die größte Aufmerksamkeit. Die "Skandal"-Skulptur sorgte für Empörung, wurde zunächst verhängt und schließlich entfernt. (APA)