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Der britische Premier Blair wollte mehr privaten Unternehmergeist in die Schule bringen. Was blieb, ist ein Reförmchen, das er auch nur mithilfe der Tories durchboxen konnte.

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Ein Labour-Premier kann seine Bildungsreform nur durchsetzen, indem er sich auf die konservativen Tories stützt: Schaufelt sich so einer sein eigenes Grab?

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Hat Tony Blair den Rubikon überschritten? Das Tischtuch mit seinen Labour-Verwandten zerschnitten? Ist er gar, wie der Guardian orakelt, de facto zurückgetreten als Chef seiner aufrührerischen Partei?

Der Anlass, der die Londoner Leitartikler zu düsteren Visionen hinreißt, ist paradoxerweise ein haushoher Sieg für den Premier, einer der klarsten seiner Karriere. Mit 458 gegen 115 Stimmen hat das britische Unterhaus am Mittwochabend ein Gesetz verabschiedet, das den Schulen größere Freiheiten gewährt. Blair, der 1997 mit dem Slogan "education, education, education!" auf den Lippen Downing Street 10 im Triumphzug eroberte, setzte sich auch dieses Mal durch. Dennoch macht das Wort vom Pyrrhussieg die Runde. Verkehrte Welt?

Blair musste notgedrungen einlenken, um den Rebellen im eigenen Lager den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Januar hatten noch mehr als 90 Abgeordnete seiner Labour-Partei Widerstand angekündigt, jetzt stimmten nur 52 gegen die Novelle.

Freilich, ob das Gesetz noch den Namen Bildungsreform verdient, daran scheiden sich die Geister. Kritiker sprechen eher von einem Reförmchen, einem klassischen Kompromiss, fein austariert, um die Anhänger des guten alten Staatsschulmodells noch halbwegs bei der Stange zu halten.

Wettbewerb fördern

Ursprünglich wollte Blair dem System mit so genannten "Trust Schools" eine neue Korsettstange einziehen, "soziales Unternehmertum" als Pendant zur schwerfälligen Bürokratie der lokalen Erziehungsbehörden. Eine Art Schulaufsichtsrat, bestehend aus Eltern und engagierten Bürgern, Geschäftsleuten und Geistlichen, sollte mitbestimmen, welche Lehrer zu welchem Gehalt den Unterricht geben.

Von Mäzenen finanziert, sollte der Trust so hohe Standards setzen, so gezielt nach Qualität streben, dass es den Wettbewerb zwischen den Schulen fast zwangsläufig ankurbeln würde. Weniger Staat, mehr Privatinitiative, hieß die Devise.

In seiner Endfassung erlaubt es das Reformpapier den örtlichen Bildungsbehörden jedoch, ebenfalls "Trust"- Schulen zu gründen. Von Bürokratieabbau keine Spur. Auch die mündlichen Aufnahmegespräche, die man einführen wollte, bleiben tabu. Zu groß war die Angst, dass elitebewusste Direktoren nur die besseren Bewerber herauspicken, während die schlechteren an zweitklassigen Schulen landen, die dann ihrerseits nur noch "bog standards" bieten können, Morastniveau.

Aber schon der Erfolg der abgespeckten Variante gilt als Einschnitt, mehr parteipolitisch als in der Substanz. Denn hätte die konservative Opposition gegen Blair gestimmt, wie sie es normalerweise tut, wäre dessen Lieblingsprojekt unrühmlich an den parlamentarischen Klippen zerschellt.

So aber hielten es die Tories mit Kenneth Clarke, einem ihrer Ex-Minister. Der begründete sein Ja mit dem launigen Satz, auch Thatcher hätte ihre Freude an dem talentierten Mister Blair und dessen Bekenntnis zum Markt gehabt. Mancher prophezeit Blair allerdings einen Putsch in der eigenen Partei, der ihn aus dem Amt jagen wird – lange vor dem Sommer 2007, in dem er sein Amt gerüchteweise an Schatzkanzler Gordon Brown abgeben will. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.3.2006)