Wien - Auf Äußerlichkeiten als Musikstilspiegel ist kein Verlass. Der junge Mann schaut beim Verbeugen jedenfalls ziemlich traurig; zusammen mit seiner ergriffen-dankbaren Art sich zu verbeugen, hat das etwas Künstliches. Und wenn er sich schließlich Richtung Ausgang begibt, schwingt in seiner Haltung gar etwas Zerknirschung mit - als hätte er sich gerade irgendeine Strafe abgeholt. Dabei gab es ausgiebig Jubel.

Martin Stadtfeld ist also nicht der Erste, bei dem man nicht von der Bühnenoptik auf das Tastenspiel schließen soll. Immerhin: Bekannt gemacht hat ihn ziemlich keckes Bach-Spiel, eher unbescheiden gleich anhand der Goldbergvariationen präsentiert. Und auch im Wiener Konzerthaus tritt er einem akustisch nicht gerade als schüchtern-sensibler Poet entgegen.

Als würde er das Klavier vom Cembalo aus denken, setzt er bei den dreistimmigen Sinfonien (BWV 787-801) auf eine robuste Gangart, die klare Linien hervorbringt und Interpretationscharme über die Erweckung jener rhythmischen Intensität sucht, welche der vorwärts drängende Dialog der Linien hervorbringt.

Der Ton ist denn auch überwiegend unsentimental, kühl, in der höheren Lagen mitunter auch etwas spitz. Da steht die Architektur im Vordergrund; der Interpret - hier eine Art sinnvoll dienender Asket, der bei Bach nur punktuell andeutet, welche klanglichen Möglichkeiten ihm an sich zur Verfügung stehen (beim Concerto nach italienischem Gusto F-Dur, BWV 971). Dass er sich bei Sergej Rachmaninows 2. Klaviersonate im klanglichen Bereich zwar nicht mehr so zurückhält, aber die dramaturgische Balance zwischen Innerlichkeit und Expressivität vor allem mit dynamischen Mitteln zu erreichen versucht, ist dann aber etwas schade.

Da wirkt dann diese Musikkathedrale etwas schlecht beleuchtet und mitunter unbelebt; und es nützt nur wenig, wenn Stadtfeld bei Höhepunkten das Klavier dann "zum Wackeln" bringt.

Dies wirkt wie ein kompensatorischer Versuch, gewaltsam Leben einzuhauchen. Keine runde Sache. Dennoch: Es lässt sich sagen, dass dieser von der CD-Branche gehätschelte Musikus im Grunde genug Substanz und Disziplin hat, um Exzentrik und musikalischen Sinn zu verbinden. Wieder nachzuprüfen, wenn es wärmer geworden sein dürfte. Bei den Salzburger Festspielen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.3.2006)