So hatten die Architekten sich das Leben in der Wohnhausanlage "Gemeinsam Wohnen in Simmering" vor der Fertigstellung Ende 2004 vorgestellt. Tatsächlich ist das Zusammenleben der Nationen hier sehr harmonisch.

"Wir fühlen uns hier sehr wohl", sagt ein junges Pärchen aus Wien-Simmering. Sie leben gemeinsam in einer geförderten Neubauwohnung in der Simmeringer Hauptstraße 192a, wenige Gehminuten von der Endstation der U3 entfernt und direkt gegenüber dem Simmeringer Bad. Beide sind sie in Österreich geboren und aufgewachsen.

Wiener Durchschnittsbürger – mit dem kleinen Unterschied, dass ihre Nachbarn aus aller Herren Länder kommen: Ägypten, Bangladesch, Bosnien-Herzegowina, China, Deutschland, Israel, Polen, Rumänien, Schweden, Serbien, der Türkei und Vietnam. Manchmal sieht man das auf den ersten Blick.

Fast die Hälfte der Bewohner in den 112 geförderten Neubauwohnungen des Integrationsprojekts "Gemeinsam Wohnen in Simmering" sind Zuwanderer oder Neuösterreicher. Das ergibt eine bunte Mischung. Das Kennenlernen von fremden Kulturen wird hier als Mehrwert verstanden.

Unterschied als Prinzip

"Der kulturelle Unterschied wurde zum Prinzip erhoben", sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer des Bauträgers Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV).

Zusammen mit dem Wiener Kulturverein Hallamasch hat man ein interkulturelles Nutzungskonzept ausgearbeitet: "Miteinander lachen, reden, leben, aber auch streiten können ist eine menschliche Kompetenz, die man nicht früh genug lernen kann. Diese Kompetenz bildet einen Vorsprung in der Welt von morgen." Das Integrationsprojekt lässt verschiedene Lebensweisen, Anschauungen und Kulturen nebeneinander existieren und in wechselseitig produktiven Austausch zueinander treten. Überschaubare Einheiten und ein offener Charakter fördern die Herausbildung einer positiv und integrativ wirkenden Atmosphäre.

Man treffe sich auch oft und gerne, sagt das junge Pärchen, Möglichkeiten gebe es dafür viele. Bei der Planung wurde darauf geachtet, dass ein großes Angebot an Gemeinschaftseinrichtungen als Teil des halböffentlichen Raumes für gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen und Aktivitäten zur Verfügung steht. Es gibt Versammlungsräume (der größte fasst 90 Personen), von außen einsehbare Kinderspielräume und Waschküchen, einen Musikproberaum und zahlreiche Außen- und Grünflächen. Auf dem Dach des Gebäudekomplexes steht sogar eine Gemeinschaftssauna.

Zwangloses Treffen

Da der ganze Gebäudekomplex auf Stelzen steht, ermöglicht eine offene Erdgeschoßzone ein zwangloses Treffen und Unterhalten im Freien – unabhängig von der Witterung. Viele Anrainer nutzen diese "freundliche" Zone entlang des Gebäudes, um zur Bim-Station zu kommen.

Auch in den eigenen vier Wänden besuche man sich gegenseitig und bekoche einander. Man lerne dadurch fremdes Essen, Musik und Bräuche kennen. Fremdsprachige TV-Programme werden ohnehin über eine eigene Sat-Anlage angeboten.

"Hier leben die Leute das Gemeinsame, der Bewohner-Mix funktioniert sehr gut", sagen die Bewohner. Auch der Mieterbeirat lege sich besonders ins Zeug, jedes Jahr werden ein Sommerfest, eine Osterfeier, eine Krampusjause für Kinder und andere Feste organisiert.

Am Montag ist das von der FPÖ initiierte Volksbegehren zu Ende gegangen. Laut einer Umfrage sind 67 Prozent der Befragten aufs Bezirksamt gegangen, weil zu viele Ausländer in Österreich seien. Von den Bewohnern des Integrationsprojekts in der Simmeringer Hauptstraße wird wohl niemand unterschrieben haben. (jüm, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.3.2006)