Milosevics Tod sei für das UNO-Tribunal ein "enormer Schlag", sagt die niederländische Juristin Heikelien Verrijn Stuart. Sie kommentiert seit Einsetzung des Tribunals 1993 die Verfahren für den niederländischen Rundfunk und wird wegen ihrer profunden Analysen mit Hannah Arendt verglichen, die den Eichmann-Prozess in Jerusalem dokumentierte.
Verrijn Stuart fürchtet, dass der bisher unaufgeklärte Tod des Hauptangeklagten dem internationalen Ansehen des Gerichtshofes schaden werde. "Jene, die von Anfang an behauptet haben, dass wir es mit einer politischen Einrichtung zu tun haben, werden jetzt das Gericht auch noch kriminell nennen."
"Urteil läge schon vor"
Stuart wirft dem Tribunal vor, Milosevics Krankheit unterschätzt zu haben. "Ich begreife nicht, was sie sich beim Tribunal gedacht haben. Milosevic war immerhin der erste ehemalige Staatspräsident, der vor einem Kriegsverbrechertribunal stand. Diese Tatsache allein verpflichtet zu besonderer Umsicht. Man hätte seine Freiheit einschränken müssen." Im Nachhinein habe sich die Entscheidung des Gerichts, "den gesamten Balkankrieg in einem Verfahren abzuhandeln", als fatal erwiesen: "Wenn man sich auf die Kriegsverbrechen im Kosovo konzentriert hätte, dann läge nun ein Urteil vor, und das Gericht hätte sich viel Kritik erspart."