Im Februar beschließt der französische Premierminister Dominique de Villepin über die Köpfe der Sozialpartner und der Parlamentarier hinweg, der Nation einen neuen Arbeitsvertrag mit vereinfachter Kündigungsmöglichkeit zu bescheren. Im Parlament blockte er einen Teil der Debatte mit einem Prozedur-Trick über Vertrauensabstimmungen ab. Daraufhin gehen Studenten im ganzen Land auf die Barrikaden; in Paris stürmten sie in der letzten Woche die Sorbonne-Universität. In Vollversammlungen beschließen sie mit Abstimmungen per Handzeichen den Streik ihrer Fakultät. Geplante Abstimmungen an der Urne wurden allerdings von einer radikalen Minderheit überall verhindert. Derzeit sind rund 50 der insgesamt 84 Universitäten in Frankreich sowie einige Mittelschulen ganz oder teilweise besetzt. Über Nacht zum Buhmann der Nation geworden, muss der Premierminister am Sonntag in aller Hast vor die Fernsehkameras treten und eine Reihe von Konzessionen machen. Um seine Chancen bei den Präsidentschaftswahlen, die voraussichtlich im Mai 2007 staatfinden werden, nicht zu vermasseln, markiert der isolierte Premierminister gleichzeitig Härte gegenüber den Protestierenden. Um die Regierung zu einem vollständigen Rückzug des Gesetzes zu zwingen, wollen die Studenten nach dem Protesttag von gestern, Dienstag, am Donnerstag weiter protestieren; die Gewerkschaften folgen am Samstag. Die Medien, Villepins Partei UMP sowie die Franzosen in ihrer Gesamtheit halten mit klaren Meinungsäußerungen zurück und warten ab, wer als Sieger aus dem Sozialkampf hervorgehen wird. Zu guter Letzt wird der Staatspräsident ein Machtwort sprechen müssen. Bei Studentenprotesten in früheren Jahren hatte Jacques Chirac noch immer nachgegeben bzw. als Premierminister selbst den kürzeren gezogen. Vorläufig scheint er seinen Premier aus taktischen Gründen zu decken.Einen eleganten Ausweg bietet das Verfassungsgericht, das in solchen Fällen gerne vorgeschoben wird, um den CPE für ungültig erklären zu lassen. (brä/DER STANDARD, Printausgabe, 15.3.2006)