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Um 21 Uhr startet das erste Fernsehduell zwischen Premier Berlusconi und seinem Herausforderer Prodi.

AP Photo/Gregorio Borgia
derStandard.at: Heute abend ist das erste TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten Prodi und Berlusconi. Wie kommen die beiden eigentlich auf dem Bildschirm rüber?

Gerhard Mumelter: Berlusconi ist mediengewandter, formuliert die Dinge griffiger, neigt sehr zur Selbstdarstellung. Prodi ist bedächtiger, seine Aussprache ist manchmal undeutlich, er ist weniger telegen und ein bisschen hölzern.

derStandard.at: Die Regeln für das TV-Duell sind sehr strikt, womit die Opposition verhindern wollte, dass sie das Medientalent Berlusconi zu seinen Gunsten nutzt. Aber hat Prodi überhaupt eine Chance gegen den Medienmagnaten?

Mumelter: Prodi hat vor seinem Wahlsieg 1996 schon ein Fernsehuell gegen Berlusconi gewonnen. Da die rigiden Spielregeln einen direkten Schlagabtausch zwischen den beiden verbieten und die Begrenzung der Redezeit Berlusconi an den üblichen Monologen hindert, wird es wohl endlich um Sachthemen gehen. Beide dürfen ja nur auf einschlägige Fragen von zwei Journalisten antworten.

Berlusconi wird die Leistungen seiner Regierung preisen, Prodi auf das wirtschaftliche Debakel verweisen, das diese Regierung hinterlässt. Beide werden endlich auf die Frage antworten müssen, wie sie angesichts des Haushaltsdefizits ihre Wahlversprechen finanzieren wollen.

derStandard.at: Wie lautet Ihre Prognose, wem das Duell nutzen könnte?

Mumelter: Entscheidend wird sein, wer sich als glaubwürdiger präsentieren kann. Nach Überzeugung der Meinungsforscher können die beiden Fersehduelle vor allem den Unentschlossenen als Entscheidungshilfe dienen - das sind 24 Prozent. 64 Prozent haben ihre Entscheidung bereits getroffen, 12 Prozent gehen nicht zur Wahl. Nach der neuesten Umfrage führt das Linksbündnis mit einem Vorsprung von 4,3 Prozent.

derStandard.at: Welche Folgen hatte das abgebrochene TV-Interview: Hat es Berlusconi geschadet oder vielmehr genutzt?

Mumelter: Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Berlusconi ist davon überzeugt, dass ihm sein Verhalten genutzt hat. Auch innerhalb der Opposition ist die Meinung geteilt. Man wirft Annunziata vor, Berlusconi die willkommene Gelegenheit geboten zu haben, sich als Opfer linker Journalisten darzustellen.

derStandard.at: Gegen Lucia Annunziata gibt es nun ein Disziplinarverfahren, hat sie Berlusconi Ihrer Einschätzung nach wirklich unkorrekt behandelt?

Mumelter: Sie wird vermutlich einen Verweis erhalten. Annunziata ist für den rüden Ton bekannt, mit dem sie ihre Interviewpartner behandelt - linke wie rechte. Der Vorwurf, sie sei mit ihrer Hartnäckigkeit in die Falle Berlusconis getappt, ist nicht unberechtigt. Dazu kommt der Faktor, dass ihre forsche Art ihr keine Sympathien einbringt. Auch im linken Lager wird Annunziata oft Protagonismo vorgeworfen.

derStandard.at: Berlusconi warf den TV-Stationen vor, in der Hand der Linken zu sein. Ein berechtigter Vorwurf?

Mumelter: Berlusconi beherrscht sechs der sieben landesweiten Fernsehsender. Drei gehören ihm, die anderen drei - jene der RAI - kontrolliert er politisch. Das gilt in erster Linie für RAI 1 und RAI 2. Programmchef von RAI 1 ist der ehemalige Forza Italia-Abgeordnete Fabrizio Dal Noce, Chefredakteur der ehemalige Mediaset-Mann Clemente Mimun.

Keine Regierung hat die Schlüsselposten der RAI jemals so systematisch mit ihren Leuten besetzt wie die jetzige. Einzelfälle wie der Streit mit Annunziata geben Berlusconi natürlich die Gelegenheit, sein Märchen von der Vormacht der Linken in den Medien zu wiederholen. In diesem Sinne hat Annunziata mit ihrer hartnäckigen Haltung sicher ungeschickt agiert. Viele Italiener aber sind der Meinung, dass in dem Streitgespräch beide keine glückliche Figur abgegeben haben.