Die Aufnahmefähigkeit der EU als Kriterium kann nun auch gegen die Balkanstaaten angewendet werden.

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Salzburg/Brüssel - Alles, nichts oder sowohl als auch: Diese Optionen standen zur Auswahl, als an Stellungnahmen für das Salzburger Treffen gefeilt wurde. Frankreich, noch unter dem Schock des negativen Verfassungsreferendums, wollte gar keine schriftliche Erklärung zu den Westbalkanstaaten, die Nachbarländer Italien, Griechenland und Österreich wollten eine klare Beitrittsperspektive.

Herausgekommen ist eine Sowohl-als-auch-Erklärung. Im Gegensatz zum Entwurf wurde in der verabschiedeten Fassung die EU-Mitgliedschaft der Staaten des Westbalkans als "endgültiges Ziel" beschrieben. Davor wird aber festgestellt, dass "die Aufnahmefähigkeit in Betracht gezogen" werden müsse.

Österreich nimmt für sich in Anspruch, die Aufnahmefähigkeit als Bedingung vor Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober 2005 durchgesetzt zu haben. Das kann sich nun für die Westbalkanstaaten als Bumerang erweisen. Erweiterungsgegner können einen EU-Beitritt der Westbalkanstaaten mit Bezug auf dieses Kriteriums genauso blockieren wie dies Österreich im Falle der Türkei androht. Durch diese Salzburger Erklärung wird sowohl das Ziel eines EU-Beitritts als auch die Möglichkeit der Ablehnung einer weiteren Ausdehnung der Union untermauert.

Die Versprechungen wurden im Laufe der Jahre stark abgemildert. 2003 wurde beim EU-Gipfel in Thessaloniki den Westbalkanstaaten zugesichert: "Der Europäische Rat bekräftigt seine Entschlossenheit, die europäische Perspektive der westlichen Balkanstaaten, die Teil der EU sein werden, sobald sie die festgelegten Kriterien erfüllen, uneingeschränkt und wirksam zu unterstützen." Im Dezember 2005 klang dies schon nüchterner. Es gelte "die Bewerberländer und die übrigen westlichen Balkanstaaten auf ihrem Weg zu Reform und Stabilität weiterhin nachdrücklich zu ermutigen, indem ihre europäische Perspektive wiederholt bestätigt wird".

Nur Freihandelszone

Kroatien hat schon Beitrittsverhandlungen aufgenommen, Mazedonien wurde der Kandidatenstatus zuerkannt. Am 6. April soll nun der Startschuss für Verhandlungen über eine Freihandelszone fallen, die alle Länder der Region umfasst und den Handel mit der EU erleichtern soll.

Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum könnte den Balkanländern als Ersatz für eine EU-Mitgliedschaft angeboten werden, wenn die Stimmung gegenüber weiterer Ausdehnung negativ bleibt und die Verfassung, die die EU-Institutionen für die Erweiterung fit gemacht hätte, wirklich gekippt wird. Das Kriterium der Aufnahmefähigkeit kann als Begründung für diesen Weg herangezogen werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2006)