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New York - Ob sie eine Art Anna Netrebko ihrer Zeit war, lässt sich noch nicht sagen. Zwar überschreitet auch die Popularität der russischen Sängerin, wie einst jene von Anna Moffo, bereits die Grenzen der Opernwelt. Erst jedoch, wenn Netrebkos Stimme um ihren 40. Geburtstag herum beginnen sollte, Verschleißerscheinungen aufzuweisen, wird der Vergleich ein zutreffender sein.

Dass die Karriere der Moffo vergleichsweise kurz dauern sollte, war zunächst nicht absehbar. Als Tochter eines in Wayne, Pennsylvania, lebenden italienischen Schuhmachers geboren (die Angaben über das Geburtsjahr variieren zwischen 1930, 1932, 1933 und 1935), kam sie in den frühen 50er-Jahren durch ein Stipendium zum Studium nach Italien, debütierte in Spoleto und arbeitete schon 1957 mit Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen.

1959 holte sie Intendant Rudolf Bing an die Met, wo sie als Violetta in Verdis Traviata triumphierte. Die Met sollte ihr Stammhaus werden; sie arbeitete auch für den Film, produzierte durch eine flüchtige Nackszene einen Skandal und hatte in Italien gar eine eigene TV-Show.

Ihr farbereicher, lyrischer Sopran, dessen Wendigkeit auch im Koloraturbereich Qualität erbrachte, machte sie zu einer der großen Sängerinnen der 50er- und 60er-Jahre; auch anhand ihrer Mozart-Aufnahmen aus 1959 kann man nachhören, auch zu welcher delikaten Pianokultur sie fähig war. Schließlich aber ging es steil bergab - 1969 kam es etwa zu einer zweifelhaften Met-Aufführung von Lucia di Lammermoor, Rudolf Bing wollte den Vorhang fallen lassen, um dem Auditorium die Wahnsinnsszene zu ersparen.

Moffo zog sich später zurück, sang dann weiter, ein wirklich durchschlagendes Comeback wollte jedoch nicht gelingen. Rückblickend meinte sie in einem Interview, sie habe wohl zu viel gearbeitet, sei zu viel unterwegs gewesen - zwischen Fernsehen, Film und Oper. Anna Moffo starb am Donnerstag in einem New Yorker Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls.(Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 3. 2006)