Brüssel - EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wich bei der Präsentation des EU-Grünbuchs zur Energiepolitik der Frage nicht aus: Was mit Ländern wie Österreich geschehe, die keine Atomkraft hätten? "Wir sollten unterschiedliche Meinungen in dem Bereich respektieren. Wir sollten dann aber auch keine Tabus respektieren. Alle Energiepolitiken müssen in Betracht gezogen werden." Die EU-Kommission habe keine Absicht, sich in die Frage einzumischen, welchen Energiemix die Mitgliedstaaten bevorzugten.

Österreich glücklich

Auch die österreichische EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, zuständig für Außenpolitik, versicherte im Gespräch mit österreichischen Journalisten: "Da gibt es überhaupt kein Problem." Gleichzeitig sagte sie auch: "Atomkraft ist eine Quelle, die da ist und die man in der Zukunft berücksichtigen wird". Österreich sei "in der glücklichen Lage, dass das Land viel Wasserkraft und andere erneuerbare Energiequellen wie Biomasse aufbereitet hat".

Allerdings gesteht die EU- Kommission in ihrem Grünbuch auch Mitgliedstaaten einen Ausbau der Atomenergie zu, spricht aber das Mitspracherecht der Nachbarstaaten an. "Entscheidungen der Mitgliedstaaten in Hinblick auf die Kernenergie" würden "sehr bedeutende Konsequenzen auf andere Mitgliedstaaten haben bezüglich der Abhängigkeit der EU von importierten fossilen Brennstoffen und CO2-Emissionen". Der ursprünglich noch vorgesehene zusätzlich Hinweis auf eine Risiko-Gefährdung durch die Atomenergie scheint in der endgültigen Fassung aber nicht mehr auf.

Die Kommission ruft in dem Papier zu einer engen Abstimmung auf, um auf den Weltmärkten mit einer Stimme zu sprechen und so bessere Konditionen und eine höhere Versorgungssicherheit aushandeln zu können. Sie regt zudem gemeinsame Notfall-Gas- Reserven an, um Lieferengpässe zu überbrücken. Sie will auch über eine europäische Regulierungsbehörde für den Energiemarkt diskutieren. Angestrebt werden darüber hinaus eine Förderung erneuerbarer Energien und ein niedrigerer Verbrauch. Über die Vorschläge soll auf dem EU-Gipfel Ende März diskutiert werden.

Mit Russland als wichtigstem Energielieferanten strebt die Kommission einen neuen Energie-Pakt an. Barroso kündigte an, am 17. März mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu beraten. Er warnte auch erneut vor einer Abschottung der nationalen Energiemärkte. (Alexandra Föderl-Schmid, Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2006)