Nickelsdorfs Bürgermeister Gerhard Zapfl weiß nicht recht, wie er die Situation mit seinen Bürgern meistern soll - schließlich wurde auch er aus den Medien informiert.

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Die 40 bisher getesteten Grazer Katzen, die unter H5N1-Verdacht standen, sind nicht infiziert. In Nickelsdorf ist man über die Entscheidung, 170 Tiere in einer Quarantänestation an der Grenze unterzubringen, entrüstet - vor allem, weil man nicht informiert wurde.

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Nickelsdorf - Manche Nickelsdorfer sehen die Angelegenheit durchaus pragmatisch. "Schau'n Sie, wir haben keine Katzen, und wir sind 87 und 86 Jahre alt" sagt die rüstigste der drei Damen, die gerade aus einem Haustor in der "Mittleren Hauptstraße" getreten sind. Ausgehfertig, gestützt auf Einkaufswägelchen, kann das H5N1-Virus dem Trio an diesem Dienstag keine Angst einjagen: "Wia's der Herrgott will, so kummt's." Eine Einstellung, die in dem burgenländischen Grenzort nicht von jedem geteilt wurde.

Denn fährt man die Hauptstraße weiter Richtung Ungarn, vorbei an Bundesheerunterkünften, an der Autobahnauffahrt und dem lokalen Grenzübergang, kommt man zum Herd der Erregung: der Grenzveterinärquarantänestation. In den großen Komplex, in dem vor Ungarns EU-Beitritt Tierlieferungen aus dem Osten überprüft worden sind, wurden am Montagabend 170 Katzen aus dem Grazer Tierheim Arche Noah gebracht, in dem der Vogelgrippeverdacht bei Katzen aufgetreten ist. Bei drei von ihnen war bei einem ersten Test der Erreger nachgewiesen worden - bei einer genaueren Untersuchung war er dagegen nicht mehr auffindbar.

"Großer Unmut"

Für Gerhard Zapfl, den Bürgermeister von Nickelsdorf, war aber die Tatsache, nicht von der Katzenverbringung informiert worden zu sein, Grund für Ärger. "Es ist ein riesengroßer Jammer, es herrscht großer Unmut. Das war eine Nacht- und Nebel-Aktion. Dass die Grazer Katzen zu uns kommen, davon habe ich aus dem Radio erfahren. Mich hat niemand informiert. Das war eine Drüberfahrerpartie."

Die ihn in einen gewissen Kommunikationsnotstand gegenüber den gut 1500 Bürgern seiner Gemeinde bringt. "Natürlich ist mir klar, dass es Ad-hoc-Entscheidungen geben muss. Aber ich weiß gar nichts und muss die Leute beruhigen. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie lange die Katzen dableiben sollen, das wäre wenigstens eine Perspektive gewesen, die ich den Nickelsdorfern vermitteln könnte. Bei uns laufen die Leute ja im Kreis."

Die Arbeiter, die die Rasenfläche vor dem Kossuthdenkmal freischaufeln, sind von der Entwicklung ebenso verwirrt. "Sicher, dass es eine Quarantänestation ist, hat man gewusst. Aber dass die 170 Katzen 200 Kilometer weit aus der Steiermark herbringen . . ., das hat keiner vorhergesagt", meint einer. "Jetzt haben die Leute Angst, dass irgendwas auskommt", pflichtet sein Kollege bei.

Keine Zuständigkeit

Überrascht wurde auch die Landespolitik und die Bezirksbeamten von der Entscheidung, die Grazer Katzen an die ungarische Grenze zu schicken. Das Gesundheitsministerium hat am Dienstagabend die Landesregierung verständigt. Auch davon, dass in diesem konkreten Fall die Bezirkshauptmannschaft keine Zuständigkeit habe. "Ich habe das aus dem Radio erfahren", sagt Bezirkshauptmann Martin Huber, "und auch unser Amtstierarzt ist nicht verständigt worden."

Bei einem Lokalaugenschein am Dienstagnachmittag versuchten Vertreter des Gesundheitsministeriums und der AGES am Nachmittag dann die Ängste von Lokalpolitik und Bewohnern zu zerstreuen und die Wogen zu glätten. Und konnten in Sichtweite von Bundesheersoldaten, die das Land vor unbefugten Grenzübertritten schützen sollen, die gute Nachricht übermitteln, dass sich die Verdachtsfälle ja nicht bestätigt hätten.

Doch alleine die Tatsache, dass Nickelsdorf jetzt österreichweit nicht nur als Grenzübergang, sondern als Quarantänestation bekannt geworden ist, macht Bürgermeister Zapfl Sorgen. "Wir befürchten auch einen wirtschaftlichen Schaden. Die Urbarialjagd, die dreißig Jahre lang der Dr. Flick gehabt hat, wird dieser Tage neu vergeben. Und da ist diese Geschichte natürlich nicht sehr hilfreich."

Von Vogelgrippe, infizierten Katzen und Pandemieängsten und dergleichen hat das Personal im "Schlecker"-Drogeriemarkt in der "Oberen Hauptstraße" dagegen genug. "Na, kein Kommentar, ich sag nix", beutelt die Kassierin entschieden den Kopf. "Bis hier" stehe ihr das Thema, sagt sie, und hält beide Hände zehn Zentimeter über den Kopf. Im Regal hinter ihr warten Katzenstreu und -futter auf Käufer. (Michael Möseneder, Wolfgang Weisgram/DER STANDARD; Printausgabe, 8.3.2006)