Stadtgeschichten von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war am Freitag. Und auch wenn ich nicht weiß, wie man das verbessern könnte, ist es so, wie man es macht, natürlich falsch: Mir am Abend einen Zettel ins Haus zu hängen, auf dem steht, dass am nächsten Morgen um 7.30 Uhr das Wasser bis Mittag abdrehen wird, nervt. Schließlich ist es elend, nur wegen der Wasserwerker Stunden früher als sonst aus dem Bett zu müssen – oder ungeduscht zu leben.

Noch nervender ist es aber, wenn dann das Wasser bis halb neun weiter sprudelt: Irgendwie fühle ich mich dann – frisch geduscht nach vier Stunden Schlaf – verarscht. Egal. Denn eigentlich soll es hier gar nicht um das sekundengenaue Einhalten von Wasserabschaltterminen gehen, sondern um den Fund der braven Wasserwerker.

Hauptwasserrohr

Denn als die wackeren Werkmeister letzten Freitag dann die Straße vor unserem Haus aufgerissen hatten und – aus welchem Grund auch immer, die machen das ja nicht aus Spaß an der Freude – dem Hauptwasserrohr folgten, fanden sie eine Wohnung. Obwohl das übertrieben ist: Sie fanden eine Unterkunft. Und so wie die aussah, dürfte sie nicht erst vor einem Tag hergerichtet worden sein.

Die Unterkunft lag im Keller. Und war leer. Aber wenn das Hauptwasserohr nicht hier abgebogen wäre, würde der – vermutlich – Obdachlose heute noch in unserem Keller wohnen. Oder übernachten: Ein paar Lagen Karton, darauf zwei Gabelstaplerpaletten, noch ein paar Schichten Karton und drei Decken. Daneben ein paar Einkaufssäcke, gefüllt mit Fetzen, eine Mütze neben dem „Bett“ und ein paar nieder gebrannte Kerzenstummel.

Fast sauber

Abgesehen davon war das Kellerabteil aber leer: Weder Müll noch menschlichen Dreck hatte der Mann (wir gingen einfach davon aus, dass es ein Mann war) hinterlassen. Oder in anderen Abteilen. Und allem Anschein nach – abgesehen von den Paletten und den Kartons – hatte der Kellerbewohner auch das Zeug in den gammeligen Kellerabteilen unberührt gelassen.

Kein Wunder. Denn Keller mit Lehm- oder Erdboden neben dem Wienfluss taugen nämlich m Grunde nur zu einem: Wenn man etwas vermodern, verschimmeln oder zerfallen lassen will, bringt man es in den Keller. Wohl auch deshalb konnte unser unbekannter Mitbewohner hier so lange unbehelligt leben: Unser Haus-Keller existiert nur theoretisch – gerade der Schädlingsbekämpfer geht alle paar Monate hinunter. Vermutlich um den Schimmel von den Rattenködern zu wischen.

Nervöse Nachbarn

Wäre es nach mir gegangen, hätte der vom Wasserwerk aufgestöberte Mann also weiter im Keller leben können. Aber das ging natürlich nicht. Erstens aus Prinzip. Zweitens - und schon gar nicht - weil seit dem Auftauchen des betrunkenen Schlaf-Steirers eine Woche zuvor einigen die Nerven (nachvollziehbar, dass es es da einen Konnex zwischen Geschlecht und dem Alter der Kinder im Haushalt gibt) blank liegen: zum ersten Mal seit ich hier wohne, ist sowohl das Haustor abends immer versperrt, als auch der Kellerabgang versperrt. Außerdem haben ein paar Nachbarn ihre modrigen Kellerabteiltüren mit neuen Holzplatten verstärkt. Und zugeschraubt.

Das Abteil mit den Decken und den Säcken ist aber noch offen. Die Sachen liegen genau so da, wie die Wasserwerker sie gefunden haben. So, als warteten sie auf ihren Besitzer. Freilich: Wie der je wieder an sein Eigentum kommen soll, ist mir nicht ganz klar. Aber außer mir scheint das niemanden zu interessieren.