Serge Dassault und Jacques Chirac bleiben auf Kampfflugzeug sitzen - Niemand will "Aushängeschild der französischen Rüstungsindustrie"
Redaktion
,
Seit über zwanzig Jahren
schwärmt Serge Dassault, der
"Rafale" sei das beste Kampfflugzeug der Welt. Das Dumme an dem "Aushängeschild
der französischen Rüstungsindustrie" – so die Pariser
Presse – ist nur: Niemand will
das Flugzeug, das Frankreich
bereits einen zweistelligen
Milliardenbetrag gekostet hat.
Norwegen und die Niederlande zeigten zwar vor Jahren Interesse, entschlossen sich aber
schließlich für den amerikanischen F-15. Darauf versuchten
es die Franzosen, allen voran
Dassault und sein persönlicher Freund Chirac, in Fernost. Südkorea nahm den "Rafale" in die Endausscheidung
auf, gab dann aber 2002 ebenfalls Boeings F-15 den Vorzug.
"Verkäufer" Chirac auch bei Saudis ohne Erfolg
Frankreichs Unterhändler
begannen in Singapur zu lobbyieren, im Sommer 2005 entschied sich der Kleinstaat aber
seinerseits für den F-15. Das
war fast schon ein Gnadenstoß. Denn nach seinem Jungfernflug 1986 kommt der "Rafale" langsam in die Jahre. In
seiner Verzweiflung setzte Dassault noch auf Saudi-Arabien. Im Dezember veröffentlichten die Ölprinzen in Riad
aber eine Absichtserklärung
für den Kauf des "Eurofighters", das Gemeinschaftsprojekt von England, Deutschland
und Italien. Chirac versuchte
das Steuer am Wochenende
bei einer Staatsvisite in Saudi-
Arabien herumzureißen. Das
Thema "Rafale" hatte absolute
Priorität; doch am Montag
musste Chirac einräumen,
dass er ohne jede Bestellung
nach Hause reisen wird.
Inzwischen wird die Rechnung für Frankreichs Steuerzahler immer saftiger. Schon
2000 kam das Parlament zum Schluss, dass der elegante Jäger fast 20 Mrd. Euro kosten
werde. Um den "Rafale" für
die – höchst hypothetischen –
Käufer im Ausland attraktiv
zu halten, muss Dassault den
Jet ständig erneuern. Dies steigert die Kosten zusätzlich,
und die Armee erhält deshalb
weniger Exemplare für den
gleichen Gesamtpreis.
Unmut im Generalstab
Selbst im Generalstab
wächst der Unmut über das
Projekt. Langsam wächst auch
die Einsicht, dass sich Frankreich gewaltig übernommen
hatte, als es 1985 aus dem Eurofighter-Projekt ausstieg, um
im Alleingang den "Rafale" zu
lancieren. Technisch mag der
Kampfjet der Konkurrenz
ebenbürtig sein. Aber bei Rüstungsgeschäften zählt auch
der politische Einfluss, und da
kann Paris mit den USA oder
der EU nicht mithalten. Das
war schon von Anfang an klar
gewesen, aber Chirac verschloss die Augen und gab
dem Druck seines Wahlkampf-Förderers Dassault
nach. Über diese Zusammenhänge spricht man in Paris
derzeit nur hinter vorgehaltener Hand. (DER STANDARD, Printausgabe, 07.03.2006)
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