Bild nicht mehr verfügbar.

Eine "wirkungsvolle Arbeitsmarktpolitik" verlangt Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit.

Foto: APA/ORF/Thomas Jantzen
Wien - Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel hat Sonntag in der ORF-"Pressestunde" seine EU-kritische Haltung bekräftigt. Die Politik der EU entspreche nicht den Vorstellungen der Bürger, "ein Kurswechsel ist notwendig". Hinsichtlich der Erweiterung plädierte Tumpel für eine "ganz ganz vorsichtige" Politik "auch im Hinblick auf den Zeithorizont" und die Ausschöpfung der Übergangsfristen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Österreich warnte Tumpel, dass nächstes Jahr nicht mehr genügend Mittel zur Verfügung stünden.

Keine Anschlussgelder aus Sozialfonds

Die Mittel aus dem europäischen Sozialfonds stünden 2007 nicht mehr zur Verfügung, auch Anschlussgelder seien "nicht da". Der Darstellung, es gebe einen "Beschäftigungsrekord", trat Tumpel entgegen: Dies gelte nur, wenn man "die Köpfe zählt". Aber tatsächlich seien 60.000 Vollzeitjobs verloren gegangen, "die Ausweitung geht ausschließlich auf die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung zurück".

Das Kombilohn-Modell lehnt Tumpel für eine "breitflächige Anwendung" ab, denn dann "läuft es einzig darauf hinaus, dass Firmen subventioniert werden". Außerdem plädierte Tumpel für einen "Lastenausgleich" zwischen Lehrlings ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben zur Finanzierung überbetrieblicher Ausbildung.

Interessen der Großunternehmen

In der EU ortete Tumpel "viele Defizite" - bei Beschäftigung, Transitverkehr, Sozialsystemen. "Wir sind mit einem Europa konfrontiert, das fast ausschließlich die Interessen der Großunternehmen wahrnimmt." Nötig seien Maßnahmen, die "tatsächlich Beschäftigung schaffen", also mehr Mittel für Bildung, Forschung, eine leistungsfähige Infrastruktur, mehr Koordinierung. Auch die heimische Regierung sei gefordert: Sie sei in die Entscheidungen direkt eingebunden und hätte die Möglichkeit, "in eine andere Richtung zu beeinflussen".

Verträge mit Rumänien und Bulgarien "leider" abgeschlossen

Kritisch äußerte sich Tumpel zur EU-Erweiterung: Die Osterweiterung sei "zu rasch gegangen", die Verträge mit Rumänien und Bulgarien "leider abgeschlossen". Aber das wirtschaftliche und soziale Gefälle sei "nach wie vor ein sehr hohes" und die EU selbst nicht aufnahmefähig. "Wir haben erweitert, aber wir haben keine neuen Spielregeln für die große Anzahl an Mitgliedsländern, bei den Finanzen gibt es einen ungeheuren Streit, dabei bleiben zukunftsgerichtete Investitionen und Sozialmittel auf der Strecke."

Der AK-Präsident pochte darauf, die bei der Osterweiterung vereinbarten Übergangsfristen für den Arbeitsmarkt voll in Anspruch zu nehmen. Das Drängen der EU-Kommission, die Fristen früher zu beenden, wies er als "eigenartiges Politikverständnis" zurück. Österreich habe das zu entscheiden - und die Fristen müssten ausgenützt werden. Denn es könne "keine Rede sein, dass es nicht zu enormen Zuströmen kommen wird".

Dienstleistungsrichtlinie

"Nicht zufrieden" ist Tumpel mit dem Kompromiss zur Dienstleistungsrichtlinie. Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung und Sanktionen würden fehlen. Dies könnte sich "massiv auswirken zum Schaden der österreichischen KMU und der Beschäftigten".

Ein EU-Austritt ist für Tumpel aber "keine Alternative". Zumal ein kleines Land allein sich der Globalisierung "mit Sicherheit nicht widersetzen" könne. Die EU hingegen könnte "sehr wohl ein Wort mitsprechen, wie und zu welchen Bedingungen diese Globalisierung verläuft, wenn der politische Wille vorhanden wäre".

In Sachen Austria Metall AG (AMAG) verteidigte Tumpel die Haltung, dass die Mitarbeiter ihre Anteile nicht verkaufen sollen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich nicht um Einzelbeteiligungen handle - und der Zweck der Arbeitnehmer-Stiftung sei, einen "gewissen österreichischen Anteil" am Unternehmen zu gewährleisten. Tumpel bekräftigte auch die kritische Haltung zum Börsegang der Post: Der Versorgungsauftrag sei mit einem Börsegang nicht kompatibel.

Koalitionspräferenzen für nach der Wahl wollte er nicht abgeben. Er persönlich habe "keinerlei Ambitionen" Sozialminister zu werden, betonte Tumpel. (APA)