Berlin - Christdemokraten aus Deutschland, Frankreich und dem Europäischen Parlament bemühen sich nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" in vertraulichen Gesprächsrunden, den vom Scheitern bedrohten EU-Verfassungsvertrag wiederzubeleben. In die Bemühungen seien die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Jacques Chirac und andere konservative Regierungschefs eingebunden, berichtete der "Spiegel" am Samstag im Voraus.

Eine "Art Choreografie"

Außenministerin Plassnik (V) erklärte dazu am Samstag in Wien, sie wolle bis zum Ende der österreichischen EU-Präsidentschaft Mitte des Jahres eine "Art Choreografie" entwerfen, wie es mit der Frage der europäischen Verfassung weiter gehen soll. Plassnik meinte, sie habe gleich zu Beginn der Präsidentschaft an alle Amtskollegen gewandt, um die weitere Vorgangsweise abzuklären.

Damit sollte auch ein Signal gesetzt werden, dass diese Frage nur gemeinsam von allen EU-25 oder EU-27 (Rumänien und Bulgarien miteinbezogen) gelöst werden könne. Es sei wichtig, mit "unseren Partnern" in Kontakt zu bleiben und die Frage mit "Geduld zu begleiten."

Politische Erklärung

Laut "Spiegel" wird erwogen, die ersten beiden Abschnitte des Vertrags, in denen das Funktionieren der 25-Staaten-Gemeinschaft und die Grund- und Bürgerrechte beschrieben werden, mit einer politischen Erklärung anzureichern. Dieser Text solle dann den Bevölkerungen in beiden Ländern zur neuerlichen Volksabstimmung vorgelegt werden.

Das dritte recht bürokratische Kapitel dagegen sollten die Parlamente beider Länder ratifizieren. Am Ende der Prozedur würde damit in beiden Staaten juristisch dasselbe abgesegnet, was schon 14 andere EU-Mitglieder beschlossen haben und in den übrigen Staaten noch zur Abstimmung ansteht. Der neue Anlauf solle wahrscheinlich unter der deutschen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 gewagt werden.

Schlussfolgerungen

Durch die verlorenen Referenden in Frankreich und den Niederlanden ist der Verfassungsvertrag vom Scheitern bedroht. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben nach den Referenden eine Denkpause vereinbart. EU-Vize-Kommissionspräsidentin Margot Wallström hatte Mitte Jänner im Europaparlament dafür plädiert, noch nicht in diesem Sommer, sondern erst im kommenden Jahr unter deutscher und portugiesischer Ratspräsidentschaft Schlussfolgerungen zu ziehen. Bis zum EU-Gipfel im Juni dieses Jahres werde die Kommission Vorschläge für die weitere Debatte vorlegen.

Merkel hat ein Protokoll zur Sozialpolitik als Anhang an die Verfassung ins Gespräch gebracht, um Frankreich doch noch die Annahme zu erleichtern. Frankreichs Präsident Chirac hat dagegen vorgeschlagen, einzelne Aspekte der Verfassung auf Grundlage der jetzigen EU-Verträge in Kraft zu setzen. Auch regte er erneut Pioniergruppen einiger weniger EU-Staaten an, die sich enger zusammenschließen. (APA/Reuters)