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Foto: AP/Chris Carlson
Na klar, er fühle sich geehrt. "Obwohl ich sagen muss, dass ich als begeisterter Zuschauer der Oscars mit der Wahl meiner Person als Moderator etwas enttäuscht bin."

Man nennt das wohl: der Kritik den Wind aus den Segeln nehmen. Jon Stewart (43), einer der berühmtesten US-Talkshow-Moderatoren dieser Tage und gleichzeitig in Europa nahezu unbekannt - er weiß wohl sehr genau, dass er am Sonntag im Kodak Theatre in Los Angeles einen Ruf zu verteidigen und im schlimmsten Fall zu verlieren hat.

So gern die Produzenten der Oscar-Gala nämlich auf besonders kontroversielle "Gastgeber" setzen, so sehr erschweren sie diesen durch diverse Einschränkungen (keine schlimmen Worte, Finger weg von offensiver politischer Kritik), dass sie jeweils wirklich glänzen können. David Letterman, der 1995 scheiterte, kann ebenso ein Lied davon singen wie der schwarze Komiker Chris Rock, der im Vorjahr als zu harmlos enttäuschte.

Und jetzt also, nachdem Dauermoderator Billy Crystal wieder einmal pausiert, Jon Stewart: Autor des Buches "Amerika - Ein Lehrbuch für demokratische Untätigkeit", Moderator einer "Daily Show" auf dem Kabelsender Comedy Central und als solcher selbst superharten Komikern wie Howard Stern locker gewachsen. Insgesamt ein Entertainer, der laut Branchenbeobachtern "die Hand eines jeden gebissen hat, der ihn zu füttern versuchte". Berühmt wurde etwa 2004 ein Auftritt im CNN-Debattierprogramm "Crossfire", wo er den Moderatoren völlig scherzfrei vorwarf, sie würden Politik auf einen Schlagabtausch von Slogans reduzieren. Wenig später wurde "Crossfire" abgesetzt.

Zum Irakkrieg lieferte Stewart einmal die Meldung, man habe endlich eine Massenvernichtungswaffe gefunden: "Es gibt nur ein Problem - sie ist in Nordkorea." Dick Cheneys Jagdunfall gab Anlass für einen klassischen Fake-Beitrag in der "Daily Show": Stewart interviewte einen "Experten für Schusswaffenunfälle des Vizepräsidenten".

Keine Frage: Nicht wenige Leute in der US-Politik und -Unterhaltungsindustrie würden es nicht ungern sehen, wenn der 1962 in Brooklyn geborene jüdische Vater zweier Kinder auf dem Oscar-Gala-Teppich stolpern und die Lacher nicht auf seiner Seite haben würde. Außerdem fragen jetzt schon Kritiker: Wie kann man über Oscar-Favoriten wie Ang Lees delikates Schwulen-Melodram Brokeback Mountain oder Steven Spielbergs Terrordrama Munich Witze reißen? Auch hier gibt sich Jon Stewart betont sorglos: "Ich glaube, es könnte schon reichen, acht Minuten über Die Chroniken von Narnia und amerikanische Erlösungsfantasien zu reden."

Und: "Was? Die Show ist schon am Sonntag?! Na gut, wenn ich surfen müsste, dann wäre ich nervös. Aber es geht ja nur um Comedy . . ." (DER STANDARD, Printausgabe, 04./05.03.2006)