Foto: DER STANDARD/Christian Fischer
Die Türe geht langsam auf und gibt den Blick auf den Schreibtisch des Intendanten des Mozartjahres frei. Weiße Mäuse suchen sich ihren Weg über Mozartpartituren und DVDs von Allahyari, Seidl und Manker. An der Wand ein Bild von Peter Marboe. Breit und zufrieden lächelt er über 30 Millionen Subvention fürs Mozartjahr. Ein gentechnisches Experiment hat ihn auf seinem Schreibtischsessel zu einer grauen Maus werden lassen ...

Diese und ähnliche Szenen von Österreichs bestem Kameramann Peter Röhsler ins Bild gesetzt, waren vergangenen Montag in der Sendung "Treffpunkt Kultur" nicht zu sehen.

"Die Kulturpolizei greift ein"

"Die Kulturpolizei greift ein" - eine satirische Miniserie, (10-Minuten-Format), ausgedacht von Helmut Schödel und mir: Über ein Jahr wurde hin und her überlegt. Internes Postengerangel im ORF verhinderten einen deutlichen Auftrag. Klar war nur: "Plakativ muss es sein, sonst verstehen die Leute das nicht" (Kulturchefin Czöppan). Schnitt.

Wenn sich der graue Wiener Nebel hebt, gibt er frei, was eine Nacht der Lügen und den Dreivierteltakt überlebt hat: den ORF am Küniglberg. Schon die graue angestaubte Fassade verletzt den freien Gedanken. Ich trete ein, verfolgt von Kameras in allen Ecken, ich werde beobachtet, analysiert, zum Feind erklärt. Die vielen Redakteure, Praktikanten und Mitarbeiter versuchen ein Lächeln, wenden sich dann aber mit einem Schauer von mir ab. Heute ist bereits der zweite Abnahmetermin und ich habe Helmut Schödel, meinen Co-Regisseur, mitgebracht. Die Büros sind kleine Zellen mit vielen Vorzimmern und strengen Sekretärinnen. Wer eine Sekretärin genau studiert, erkennt, für wen sie arbeitet. "Wie ist ihr Name?", "Dr. Dübbelström" lüge ich, "Peter Kern" könnte ja erschrecken. Gabriele Flossmann begrüßt mich mit "Frau Dr. Czöppan ist unterwegs". Der Fernseher ist im Gegenlicht hoch vor dem Fenster angebracht, so dass man nur eine Ahnung von Film wahrnehmen kann - Frau Czöppans Augenringe unterm Make-up dafür umso deutlicher. Kulturelle Sorgen quälen sie und nun auch noch die "Kulturpolizei". "Das mit dem Marboe geht natürlich nicht." - Im August sind Wahlen im ORF. Ich verstehe plötzlich die Welt viel besser.

Langes Schweigen

Nach der von der Sonne überstrahlten Vorführung langes Schweigen. Dann folgen schweres Atmen und das Suchen der eigenen Meinung, wie bei jeder Abnahme: Man spricht nach, was Vorgesetzte "angedacht" haben. Wir einigen uns, dass Frau Flossmann eine Minute kürzt, ohne wichtige Inhalte zu verändern. Diese Fassung soll uns vor der Ausstrahlung vorgelegt werden. Für März ist der Sendetermin geplant und das Publikum sollte entscheiden, ob die Serie weiter produziert wird. Ich lächle den Kleiderständer an und summe in Gedanken eine kleine Lehár-Melodei ("Glücklich ist ...").

Ohne Ankündigung wird vergangenen Montag "Die Kulturpolizei" gesendet. Von 12 auf vier Minuten gekürzt, wird nach mehr als einem Jahr eine Idee, an der Manfred Deix, Hilde Sochor und viele andere mitgearbeitet haben, verstümmelt, verstellt und der Versuch, Satire einmal nicht von Kabarettisten gestalten zu lassen, vernichtet.

Elfriede Jelinek schreibt mir am anderen Tag: "Lieber Peter, das ist ja unglaublich, nein, eigentlich nicht, es ist genau das, was man von diesen Leuten zu erwarten hat."