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Entscheidung revisited: Lanzinger verschießt gegen Penker.

Foto: APA/Artinger

Wien – "Eine lange Reise für einen Schuss." Günther Lanzinger zuckt mit den Achseln. Sagt, dass es für ihn und für Villach ja kein entscheidender Penalty gewesen ist. "Der Goalie war mehr unter Druck." Lanzinger, Stürmer des Villacher SV, hat ihn, den Penalty, vergeben, auch weil Jürgen Penker, der Goalie der Vienna Capitals, auf dem Posten war. Penker: "Eine komische Angelegenheit. Der ganze Tag war schon komisch."

Den ganzen komischen Tag lang hat Jürgen Penker an diesen Penalty gedacht. Er hat gewusst, er wird der Held sein, wenn er gegen Lanzinger die Oberhand behält. Hat aber auch gewusst, dass sich bei einem Gegentor das Blatt sehr schnell wird wenden können. Am späten Nachmittag hat sich Penker nach Kagran verfügt. Hat aufgewärmt, hat sich die Montur angezogen, hat weiter aufgewärmt, hat sich einschießen lassen. Hat zugesehen, wie sich mit 1500 Zusehern die Halle füllte. Hat gehört, wie die Sirene ertönte.

Alles wie in einem richtigen Eishockeymatch. Wie auch sechs Tage zuvor, als ebenfalls Villach zu Gast war in Wien. Als man sich 4:4 trennte, als es im zweiten Durchgang des Penaltyschießens 2:1 für die Capitals stand, als der Villacher Bousquet antrat und verwandelte. Als aber Lanzinger statt Bousquet auf dem VSV-Zettel vermerkt war, der dem Referee vorlag, und als der Referee den Treffer für ungültig und Wien zum Sieger erklärte.

Hin, her, her, hin

Dabei hätte es bleiben können, blieb es aber nicht, weil der Strafsenat der Liga das Penaltyschießen neu angesetzt hat. Es sollte am Dienstag und bei 0:0 beginnen, acht VSV- Cracks waren schon auf dem Weg nach Wien, als die Capitals eine einstweilige Verfügung bewirkten. Die Villacher drehten bei Wiener Neustadt wieder um, laut Gericht sollte nun der Eishockeyverband entscheiden, Eile war geboten, schon am Sonntag beginnt das Semifinale. Der Verband ließ das Penaltyschießen bei 2:1 für die Capitals fortsetzen. Am Donnerstag. Um 17:35 Uhr.

Der Eintritt ist frei, und also sind in Kagran die Tore aufgegangen. Es gibt Bier und Popcorn, Ordner und Polizisten versehen ihren Dienst, nur die VIP-Tribüne bleibt leer. Und es stellt sich die Frage, ob's kein Schnitzel und kein Freibier gibt, weil keine VIPs gekommen sind, oder ob keine VIPs gekommen sind, weil's kein Schnitzel und kein Freibier gibt. Die Teams wärmen auf, die Fans singen "Wir werden Meister" und verhöhnen Villach. Alles wie in einem richtigen Eishockeymatch.

Keine Werbedurchsagen immerhin, dafür wird Musik gespielt, exakt um 17:33 Uhr erklingt: "Que sera, sera, what ever will be, will be, the future's not ours to see, que sera, sera." Es liegt an Penker und Lanzinger, sie stehen jetzt allein auf dem Eis. Der Schiedsrichter pfeift, Lanzinger läuft an, nimmt den Puck an der Mittellinie mit, zieht nach rechts. Penker wird später sagen, dass ihm "das liegt, wenn der Stürmer zur Seite zieht", er geht die Bewegung des Stürmers mit, irritiert Lanzinger mit einem kurzen Zucken seines Schlägers, wirft sich.

17:35 Uhr und fünf Sekunden. Lanzinger ist gescheitert, die Fans jubeln, Penker wird kurz von seinen Kollegen in die Mitte genommen. Und schon sind die beiden Teams wieder in den Kabinen verschwunden. Die Fans lärmen noch ein wenig, um 17:50 Uhr hat sich die Halle geleert. Jetzt kommen die Villacher zurück aufs Eis, sie trainieren hier, werden in Wien übernachten und am nächsten Tag nach Graz weiterfahren. Dort gibt's ein richtiges Eishockeymatch, wenn auch ein bedeutungsloses – die Steirer haben keine Chance mehr, die Villacher sind fix Zweiter hinter Salzburg. Doch wenigstens liegt Graz auf ihrem Heimweg. (Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE 4./5.3. 2006)