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Armin Meiwes, der "Kannibale von Rotenburg"

Foto: AP/Probst
Kassel - Kurz vor dem geplanten Kinostart des Kannibalen-Films "Rohtenburg" hat das Frankfurter Oberlandesgericht die Vorführung des Streifens in Deutschland verboten. Die Persönlichkeitsrechte des so genannten Kannibalen von Rotenburg, Armin Meiwes, wögen schwerer als die Kunst- und Filmfreiheit, entschied das Gericht am Freitag in Kassel. Es ist das erste Mal in Deutschland, dass ein Gericht die Aufführung eines Kinofilms wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte verboten hat.

Der Film läuft daher auch nicht wie geplant am 10. März in Österreich an. Der Streifen ist nach dem gerichtlichen Aufführungsverbot in Deutschland auch in Österreich bis auf weiteres ohne Starttermin, teilte der Verleih Constantin Film in einer Aussendung mit.

Keine Anfechtung möglich

Der Streifen schildere das Privatleben und die blutige Tat des Kannibalen detailgetreu in reißerischer und bloßstellender Weise, befand das deutsche Gericht. Das sei ein schwerer und rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Das Urteil ist unanfechtbar. Die unterlegene Produktionsfirma könnte jedoch Verfassungsbeschwerde einlegen oder ein neues, und voraussichtlich langwieriges Verfahren in der Hauptsache einleiten. Bei Zuwiderhandlung drohen Produktionsfirma und Verleih ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder bis zu sechs Monaten Haft, falls der Film "vervielfältigt, beworben oder auf andere Weise in Verkehr gebracht wird".

Das Gericht gab mit seinem Urteil einer einstweiligen Verfügung statt, die Meiwes gegen die amerikanische Produktionsfirma Atlantic Streamline angestrengt hatte. Obwohl der reale "Kannibale" mit seiner beispiellosen Tat ein großes Medieninteresse hervorgerufen habe, bedeute dies nicht, dass er sich ohne Einwilligung zum Gegenstand eines Horrorfilms machen lassen müsse. Die Kunstfreiheit werde nicht schrankenlos gewährt. Jeder dürfe selbst bestimmen, ob andere sein Privatleben in einem Unterhaltungsfilm darstellen dürften.

Produzent will gegen Filmverbot klagen

Der Produzent des Films will gegen das Verbot des Streifens vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. "Atlantic Streamline beabsichtigt, gegen die Entscheidung des OLG nicht nur in einem Hauptsacheverfahren, sondern auch mit einer Verfassungsbeschwerde vorzugehen", sagte der Anwalt der Produktionsfirma, Helge Sasse, der "Berliner Morgenpost". Bleibe der Film verboten, rechne seine Verleihfirma Senator Entertainment AG mit einem Gewinnausfall von einer Million Euro, hieß es in dem Vorabbericht weiter. Sasse ist auch Aufischtsratsvorsitzender der Verleihfirma.

"Rohtenburg" statt "Rotenburg": Verfremdung nicht ausreichend

Der Film mit dem deutschen Hollywood-Star Thomas Kretschmann in der Hauptrolle gebe das Privatleben des Kannibalen ohne ausreichende Verfremdung wieder, erklärte das Gericht weiter. Schon der Titel des Films weise praktisch unverhüllt auf Meiwes hin. In Deutschland hatte der Verleih Senator den Film ursprünglich vom 9. März an in die Kinos bringen wollen.

Meiwes muss sich zur Zeit in Frankfurt zum zweiten Mal wegen Mordes verantworten. Er hat zugegeben, im März 2001 einen 43 Jahre alten Ingenieur aus Berlin entmannt, getötet, zerlegt und in Teilen gegessen zu haben. Der Bundesgerichtshof hatte ein erstes Urteil zu achteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags aufgehoben, weil mehrere Mordmerkmale nicht ausreichend geprüft worden seien.

"Räuberei"

Rechtsanwalt Harald Ermel sagte, in dem Film seien mindestens 88 Übereinstimmungen mit Meiwes' Geschichte zu finden. Der Spielfilm sei "Räuberei" an der privaten Lebensgeschichte seines Mandanten. Der Hauptdarsteller sehe zudem fast eins zu eins aus wie sein Mandant.

Das Verbot des Films schränkt nach Ansicht des Hamburger Rechtsexperten Sven Krüger die Kunstfreiheit bedenklich ein. "Der reale "Kannibale" muss bei seiner beispiellosen Tat gewusst haben, welches legitime öffentliche Interesse er auf sich zieht", sagte Krüger am Freitag in einem dpa-Gespräch. Der Jurist machte zudem aufmerksam auf die aktuelle Medienberichterstattung zum Fall des "Kannibalen", in der bereits zahlreiche persönliche Daten und Fakten offen gelegt worden seien. "Wenn also Pressefreiheit erlaubt ist, kann dann künstlerische Auseinandersetzung verboten sein?", fragte Krüger. Er betonte aber, die Kunstfreiheit sei von der deutschen Rechtsprechung generell nicht bedroht: "Wahrscheinlich wird es in der Öffentlichkeit kein Verständnis für das Urteil aus Kassel geben, aber darauf darf man als Richter nichts geben." (APA)