Das Bild (eine Computertomographie, CT) zeigt die Leber (blau umrandet) einer Darmkrebspatientin mit multiplen Metastasen (orange).

Copyright: Dr. Thomas Grünberger, Medizinuniversität Wien

CT der Leber nach einer Chemo- und Antikörpertherapie: Die Leber (blau umrandet) hat nun weit weniger und viel kleinere Metastastasen (orange).

Copyright: Dr. Thomas Grünberger, Medizinuniversität Wien
Wien – Dickdarmkrebs ist bei Männern (nach Prostata und Lunge) der dritthäufigste, bei Frauen (nach Brust) der zweithäufigste bösartige Tumor. Jedes Jahr werden in Österreich 5000 Menschen mit Dickdarmkrebs neu diagnostiziert, 3000 sterben daran. Diese Daten wurden am Donnerstag vom Gesundheitsministerium anlässlich des "Darmkrebsmonats" März bekannt gegeben.

Die Sterberate ist dank neuer Therapien seit Jahren zwar rückläufig. Die Zahlen wiegen aber umso schwerer durch den Umstand, dass "die Entstehung des Krebses zu über 90 Prozent verhindert werden könnte", erklärt der onkologische Chirurg Thomas Grünberger von der Medizin-Uni Wien dem Standard. Dazu müssten aber Vorsorgeuntersuchungen genützt werden.

Entwicklung

Dickdarmkrebs entwickelt sich nämlich über einen meist zehn Jahre dauernden Prozess aus einer gutartigen Vorstufe, dem Dickdarmpolypen. "Dieses Stadium ist ungefährlich, man kann den Polypen einfach bei einer Dickdarmspiegelung entfernen", sagt Grünberger. Die einfachste Vorsorge stellt der Hämoccult dar: Stuhl wird auf Blut untersucht, das von einem Polypen oder bösartigen Tumor stammen kann. Ab dem 40 Lebensjahr sollte dieser Test einmal im Jahr durchgeführt werden.

Allerdings ist dieser Test nicht hundertprozentig sicher, da Tumoren und Polypen nicht immer bluten. Die Dickdarmspiegelung (Koloskopie) biete die einzige Möglichkeit zur Diagnose und Therapie von Polypen, erklärt der Leiter der Abteilung für fortgeschrittenen Dickdarmkrebs im Wiener AKH weiter. Ab dem 50. Lebensjahr sollte sie alle sieben bis zehn Jahre, falls es keine besonderen Risikofaktoren wie familiäre Häufung gibt, durchgeführt werden. "Diese Untersuchung kann inzwischen mithilfe von Arzneien schmerzlos und ambulant durchgeführt werden", ergänzt Grünberger.

Damit wäre die Sache für die meisten ausgestanden, ein möglicher Polyp entfernt, so die Entstehung des Tumors unterbunden. Allein: Mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen in Österreich war noch nie bei einer Darmspiegelung, und 43 Prozent haben noch nie einen Stuhlblut-Test gemacht. Die Folge? "Ein Drittel aller Patienten mit Dickdarmkrebs hat bei Erstdiagnose bereits Tochtergeschwüre, Metastasen."

Kampagne

Also kündigten Ministerin Maria Rauch-Kallat und Österreichische Krebshilfe Donnerstag an, in den nächsten Monaten möglichst alle über 50-Jährigen durch eine Kampagne zur Untersuchung locken zu wollen. "Wer jetzt zur Darmspiegelung geht, muss nichts zahlen. Das ist mit den Krankenkassen akkordiert", versprach Rauch-Kallat.

Bei wem nicht mehr vorgesorgt werden kann und sogar ein fortgeschrittener Tumor entdeckt wird, für die oder den hat Grünberger ebenfalls gute Neuigkeiten. Noch vor wenigen Jahren kam die Diagnose metastasierter Dickdarmkrebs – besonders die Leber ist betroffen – einem Todesurteil binnen weniger Monate gleich. Heute verlängerten neue Chemotherapeutika und Antikörpertherapie die Überlebenszeit deutlich.

In der Regel würden Patienten, die auf dieses neue Behandlungskonzept ansprechen, drei Monate lang therapiert. Dann seien die Metastasen etwa in der Leber derart geschrumpft, dass sie operativ sehr einfach entfernt werden könnten (siehe Fotos). Bei entsprechender Nachsorge seien folgende Resultate zu erzielen, verrät Grünberger: 30 Monate ohne Wiederauftauchen des Tumors (früher nur sieben Monate) bei einer Fünf-Jahres-Überlebenszeit von 45 Prozent (früher 30 Prozent). Die neue Therapie sei jedoch extrem teuer: bis zu 13.500 Euro. Dagegen seien die 120 Euro, die die Kassen für eine vorsorgende Koloskopie zahlen müssten, geradezu ein Geschenk. (Andreas Feiertag, DER STANDARD, Print, 3.3.2006)